Die für den 26. September geplante Neuwahl des Thüringer Landtags findet nicht statt. Grüne und Linke sehen für die angekündigte Auflösung des Landtages keine Mehrheiten unabhängig von Stimmen der AfD. Der Landtag sollte in diesen Tagen aufgelöst und am 26. September zeitgleich zur Bundestagswahl neu gewählt werden, Grund hierfür waren die skandalösen Vorgänge im Nachgang der Landtagswahl im Jahr 2019 und die derzeitig instabilen Regierungsverhältnisse. Die AfD kündige nun ein konstruktives Misstrauensvotum gegen den in Minderheitsregierung amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) an.
Von Max Bergmann
Im Februar 2020 wurde Thomas Kemmerich (FDP) mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten des mitteldeutschen Bundeslandes Thüringen gewählt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte dies „unverzeihlich“, die Wahl müsse „rückgängig gemacht werden“ – weil Stimmen der AfD wahlentscheidend waren. Kemmerich trat kurz darauf zurück, die Linkspartei unter dem bisherigen Ministerpräsidenten Ramelow regiert seither in Minderheitsregierung mit SPD und Grünen – und ist auf die Tolerierung der CDU angewiesen.
Ramelows Minderheitsregierung verhindert Neuwahl – keine Mehrheit für Auflösung des Landtags
Insbesondere aus Reihen der Grünen und Linken häuften sich zuletzt Bedenken, man könnte sich bei der anstehenden Abstimmung zur Auflösung des Landtags von Stimmen der AfD abhängig machen. Linkspartei, SPD, Grüne und CDU versprachen der Bevölkerung Neuwahlen, stabile Mehrheiten im Landtag sollten her. Derzeit kommen diese Fraktionen zusammen auf 63 (von 90) Stimmen, aus den Reihen der CDU verweigerten nun aber 4 Abgeordnete die Unterschrift, von der Linkspartei zwei, eine weitere Abgeordnete sei außerdem aus gesundheitlichen Gründen an der Abstimmung verhindert. Zuletzt habe nun auch Linke-Fraktionschef Steffen Dittes seine Unterschrift auf dem Antrag zur Parlamentsauflösung zurückgezogen und damit die Abstimmung über die Auflösung des Landtages unmöglich gemacht. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit zur Auflösung des Landtags sei somit nicht gegeben, wie der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete.
AfD stellt Antrag auf konstruktives Misstrauensvotum – und schickt Björn Höcke ins Rennen
Die AfD stellt derzeit die zweitgrößte Fraktion im thüringischen Landtag, verfügt aber nur über 22 der 90 Stimmen im Parlament. Als Reaktion auf die geplatzten Neuwahlen beantragte die AfD am Montag ein konstruktives Misstrauensvotum gegen den in Minderheitsregierung amtierenden Bodo Ramelow, gleichzeitig habe man den Fraktionsvorsitzenden der AfD im Thüringer Landtag, Björn Höcke, als Nachfolger vorgeschlagen. Grundsätzlich sei man aber offen für Wahlvorschläge anderer Fraktionen, wie der MDR berichtet. Artikel 73 der thüringischen Verfassung zufolge kann der Landtag in Erfurt dem Ministerpräsidenten das Misstrauen nur dadurch aussprechen, indem er mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt, 46 oder mehr Stimmen sind hierfür derzeit erforderlich. Zwischen Antrag und Wahl müssen mindestens drei und dürfen höchstens zehn Tage liegen, die Abstimmung erfolgt geheim. Kommt die erforderliche Mehrheit aus 46 Stimmen für einen Kandidaten nicht zustande bliebe Ramelow im Amt.
Sonntagsfrage Thüringen: Wahlumfragen sahen AfD bei starken 22 Prozent
Das Meinungsforschungsunternehmen INSA sah die AfD in der Sonntagsfrage zum Wahlausgang der Landtagswahl in Thüringen zuletzt bei 22 Prozent – Höckes AfD-Fraktion wäre damit erneut stabil zweitstärkste Kraft im Erfurter Parlament. Die Verhinderung der Auflösung des Landtags durch die Minderheitsregierung und den damit verbundenen Ausfall der Neuwahlen stellt einen neuen Höhepunkt undemokratischer Verhaltensweisen in Deutschland dar. In diesen Tagen beschäftigt sich außerdem das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, ob es einer Bundeskanzlerin gestattet sei, sich im geschehenen Maße in Landespolitik einzumischen. Merkel forderte öffentlichkeitswirksam im Rahmen einer Pressekonferenz während eines Südafrika Aufenthalts, die demokratische Wahl Kemmerichs müsse „rückgängig gemacht werden“. Wie vor Kurzem außerdem bekannt wurde traf sich Merkel Ende Juni mit Verfassungsrichtern zum Abendessen – denselben Richtern, die nun über Merkels Verhalten in Bezug auf die Wahl Kemmerichs urteilen sollen. Auf Grund der zeitlichen Nähe zur Verhandlung liegt der Verdacht der Beeinflussung durchaus nahe.
Stabile Mehrheit nicht gegeben – Ramelow klammert sich an Machterhalt
Die Auflösung des Thüringer Landtags und die daraus resultierende Neuwahl, wie von der Minderheitsregierung versprochen, hätte im September für derzeit nicht vorhandene, stabile Mehrheiten sorgen können. Der Bevölkerung wird auf Grund des Triebes nach Machterhalt einiger Weniger nun die Möglichkeit genommen, für einen Neustart des Landes und sichere Verhältnisse zu votieren. Über den Antrag der AfD auf konstruktives Misstrauensvotum gegen den amtierenden Ministerpräsidenten muss nun zeitnah entschieden und abgestimmt werden, es bleibt zu hoffen, dass alle Fraktionen gleichermaßen sich einer raschen und demokratischen Aufarbeitung der Vorgänge in Thüringen nicht verschließen.