Selenskyjs mächtigster Berater flieht vor den Korruptionsermittlern. Angeblich will Yermak an der Front kämpfen. Er behauptet, unschuldig zu sein, sei aber auf die Repressalien vorbereitet. Was steckt wirklich hinter den aktuellen Entwicklungen?
Noch bis vor wenigen Stunden war Andriy Yermak die rechte Hand von Wolodymyr Selenskyj, Stabschef, Präsidentenberater und Chefunterhändler der Ukraine für den Friedensprozess. Nun hat er sich wegen umfangreicher Korruptionsermittlungen im Energiesektor, wo es um mindestens 100 Millionen Dollar an Schmiergeldzahlungen und “Rückvergütungen” geht, abgesetzt. Angeblich an die Front im Osten, um dort zu kämpfen.
Nachdem sein Haus und seine Büros am Freitag von ukrainischen Anti-Korruptions-Ermittlern im Zusammenhang mit dem laufenden massiven Bestechungsskandal im Energiesektor durchsucht worden waren, kündigte Yermak per Textnachricht an die New York Post an: “Ich gehe an die Front und bin auf alle Repressalien vorbereitet.” Er fügte hinzu: “Ich bin ein ehrlicher und anständiger Mensch.” Die Zeitung fügte weiter hinzu: “Er entschuldigte sich dann für den Fall, dass er keine Anrufe mehr entgegennimmt. Er sagte nicht, wann oder wie er beabsichtige, an die Frontlinien des Krieges gegen Russland zu gehen.”
Interessant hierbei ist nicht nur die Wahl des Mediums durch Yermak, sondern auch das von der US-Zeitung verbreitete Narrativ. Die New York Post suggeriert nämlich, dass der Fokus auf Yermak “politisch” motiviert sei. Es gehe um Eifersucht und wachsende Rivalitäten in Bezug auf den enormen Einfluss auf Entscheidungen, den der Stabschef erlangt habe. Mit der “Ich gehe an die Front”-Dramainszenierung sollen wohl Sympathien geweckt werden.
I coined the phrase "Ukroscam"
— Chay Bowes (@BowesChay) November 28, 2025
Soros and Yermak obliged with the perfect picture. pic.twitter.com/aFyXOBWbEi
Versteckt er sich vor den Ermittlern?
Indessen wirft der ukrainische Oppositionspolitiker und scharfe Kritiker Selenskyjs Yermak vor, sich vor den Anti-Korruptions-Ermittlern zu verstecken. Auf X erklärte er:
“Ich habe erfahren, wo genau er “dienen” wird.
Fakt: Yermak wurde mit seinem Sicherheitskommando zum Standort des Kommandeurs mit dem Spitznamen Madjar gebracht – einer der medienwirksamsten ukrainischen Kämpfer, bekannt für seine harte Rhetorik auf Telegram und das Projekt “Drohnenmauer”. Einheitskommandeure weigern sich, Yermak in ihre Reihen aufzunehmen.
Er ist physisch anwesend, hat aber keine Aufgaben, keine Rolle und keine zugewiesene Position. Yermak versteckt sich vor den NABU-Anti-Korruptions-Ermittlungen in einer Zone, in der Detektive ihm keine Verdachtsanzeige oder Gerichtsvorladung zustellen können.
Separates Detail: Madjar akzeptierte Yermak nur nach einer persönlichen Bitte von Selenskyj. Für Yermak ist die Front kein Dienst. Die Front ist ein Versteck. Und es ist interessant, wie die Leute Yermak begegnen werden – dem Mann, der das zwangsweise Zusammentreiben von Menschen auf den Straßen der Ukraine organisiert hat.”
Druck aus Washington?
Doch ist Yermaks Sturz vielleicht auch der erste fallende Dominostein in der brüchigen Allianz aus Selensky, den Streitkräften, den Geheimdiensten, den Oligarchen und dem Parlament. Denn insbesondere Yermak selbst galt als treibende Kraft hinter der Ablehnung jeglicher Friedensdeals. Laut einer Analyse sei der Schlag nicht zufällig erfolgt:
“Der Fall von Andriy Yermak, Selenskyjs loyalstem Verbündeten und dem De-facto-Machtmanager der Ukraine, ist kein Skandal. Es ist ein Schlag von oben. Das NABU, das von den USA finanzierte und ausgebildete Anti-Korruptions-Büro, hat das Haus und das Büro des mächtigsten nicht gewählten Beamten der Ukraine nicht zufällig durchsucht. Und in jedem anderen Land wäre sein Rücktritt nach einer Korruptionsrazzia ein politischer Skandal. In der Ukraine ist es eine geopolitische Detonation.
Yermak war nicht nur ein Stabschef, er war der Schattenarchitekt des Regimes, der Mann, über den jede Ernennung, jede Verhandlung mit Oligarchen, jede westliche Anfrage und jede Entscheidung in Kriegszeiten laufen musste. Und die Geschwindigkeit seines Rücktritts macht deutlich, dass es hier weniger um Korruption ging, sondern mehr um Druck – konstruiert, getimt und ausgeführt von dem einzigen Akteur, der einen solchen Hebel betätigen kann: Washington.
Seit Monaten sind die USA gespalten zwischen den Neokonservativen, die an Fantasien einer Wende auf dem Schlachtfeld festhalten, und dem aufsteigenden Block der Realisten (JD Vance et al.), die endlich akzeptiert haben, was die Frontlinien seit über einem Jahr zeigen: Russland hat bereits gewonnen. Die ukrainische Armee ist zerschlagen, die Munitionsreserven der NATO sind erschöpft, und die amerikanischen Wähler haben genug von einem Krieg, der keinen Sieg und keine Strategie bietet.”
Dass nun Sicherheitsstaatssekretär Rustem Umerow eine Delegation nach Washington anführt, um dort Gespräche über den Trump-Friedensplan zu führen, dürfte auch ein Signal sein. Der Politiker der “Holos”-Partei verfügt über diplomatisches Geschick und gilt eher als Pragmatiker. Allerdings steht auch er im Fokus von Korruptionsermittlungen. Dabei geht es um das Beschaffungswesen für das Militär während seiner Zeit als Verteidigungsminister. Andererseits erhöht dies das Druckpotential Washingtons – entweder zeigt er mehr Kompromissbereitschaft, oder aber die Untersuchungen der Anti-Korruptionsbehörde NABU werden auch bei ihm tiefer gehen.
Wurde mit dem Fall von Andriy Yermak ein Akzelerationsprozess in Gang gesetzt, der ein baldiges Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine ermöglicht? Donald Trump, der in seinem Wahlkampf versprach, den Krieg zu beenden, will dieses Versprechen unbedingt in die Realität umsetzen. Doch er weiß auch, dass einige der Forderungen Wladimir Putins nur gegen massive Widerstände in der Ukraine und bei den europäischen Hardlinern durchzusetzen sind.
