Ifo-Studie: Die Mehrheit der Ukrainer will nicht zurückkehren

Symbolbild: KI / R24

Eine neue Studie des Münchner Ifo-Instituts zeichnet ein ernüchterndes Bild für die Zukunft der Ukraine: Selbst bei einem für Kiew günstigen Kriegsverlauf würden weniger als die Hälfte der geflohenen Ukrainer zurückkehren. Im realistischeren Szenario bleiben sie dauerhaft in Europa – mit gravierenden Folgen für die Ukraine und ihre demografische Zukunft.

Die politische Rhetorik war in den vergangenen zwei Jahren stets dieselbe: Millionen Ukrainer, die vor dem Krieg in die Europäische Union flohen, seien lediglich “vorübergehend” hier und würden “nach Kriegsende ihr Land wiederaufbauen”. Eine neue Analyse des Ifo-Instituts durchbricht nun endgültig diese Illusion. Auf Basis einer breit angelegten Befragung von 2.543 ukrainischen Flüchtlingen in 30 europäischen Ländern kommt das Institut zu einer Prognose von enormer Sprengkraft: Im schlechtesten Kriegsfolgeszenario würden nur 3 Prozent der ukrainischen Flüchtlinge nach dem Ende der Kampfhandlungen in ihre Heimat zurückkehren. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass bis zu 97 Prozent dauerhaft in der EU verbleiben würden. Der Mythos der “Rückkehr nach dem Krieg” hält damit einer realitätsbasierten Prüfung nicht stand.

Die Wissenschaftler des Ifo-Instituts wählten für die Untersuchung kein einseitiges Meinungsbild, sondern simulierten unterschiedliche plausible Nachkriegsszenarien. Dabei bestätigte sich ein Trend, der seit Beginn des Konflikts sichtbar ist, jedoch in Politik und EU-Migrationspropaganda systematisch verschwiegen wird: Die Rückkehrbereitschaft der Ukrainer hängt vor allem an zwei Faktoren – territorialer Integrität und glaubwürdigen Sicherheitsgarantien. Beide Voraussetzungen sind Stand heute weder militärisch noch politisch erreichbar. Im Gegenteil: Je länger der Krieg andauert, desto mehr verfestigt sich die dauerhafte Ansiedlung der ukrainischen Bevölkerung in der EU.

Auffällig ist die enorme Diskrepanz zwischen den Szenarien. Während im theoretischen Idealfall – vollständige Wiederherstellung der Grenzen von 1991, NATO-Beitritt, Stabilisierung der Wirtschaft und geringere Korruption – etwa 46,5 Prozent der Befragten zur Rückkehr bereit wären, sinkt diese Zahl drastisch, sobald einer dieser Faktoren wegfällt. Entscheidend ist die territoriale Frage: Allein der Verlust von weiteren Gebieten an Russland senkt die Rückkehrbereitschaft um mehr als zehn Prozentpunkte. Sicherheitsgarantien durch die NATO erhöhen sie um weitere sieben Punkte. Faktoren wie Einkommen, Lebensqualität und soziale Infrastruktur spielen zwar eine Rolle, werden jedoch eindeutig von der Sicherheitsfrage überlagert.

Das Ergebnis ist doppelt brisant: Erstens ist eine Rückkehrbereitschaft von nur etwa der Hälfte selbst im bestmöglichen Szenario kaum als Erfolg zu werten, sondern als dramatischer Verlust an Bevölkerung, Arbeitskraft und Zukunftspotenzial. Zweitens sind die dafür notwendigen Bedingungen objektiv unrealistisch. Ein NATO-Beitritt der Ukraine ist auf absehbare Zeit ausgeschlossen, denn dafür fehlt es an Einstimmigkeit innerhalb der Allianz. Staaten wie Ungarn, aber auch zahlreiche westliche NATO-Mitglieder scheuen die automatische Bündnisverpflichtung gegenüber einem im Krieg stehenden Staat. Auch die Wiederherstellung der Grenzen von 1991 bleibt eine politische Formel ohne militärische Realitätsbasis. Moskau wird die Krim und den Donbass keinesfalls aufgeben.

Die Studie verdeutlicht zudem große Unterschiede innerhalb der Flüchtlingspopulation. Frauen zeigen eine höhere Rückkehrbereitschaft als Männer, sind aber gleichzeitig besonders sensibel für ökonomische Rahmenbedingungen. Viele haben in den Zielländern bereits berufliche Perspektiven aufgebaut, ihre Kinder in Schulen integriert und Sozialkontakte entwickelt. Für jüngere Ukrainer zwischen 18 und 34 Jahren sind Jobs und Einkommen entscheidende Faktoren – ihre Rückkehrwahrscheinlichkeit liegt dennoch nur bei 26,3 Prozent. Das Gewicht dieser Zahlen darf nicht unterschätzt werden, denn gerade diese Altersgruppe stellt potenziell den Kern eines zukünftigen Wiederaufbaus dar. Wenn diese Bevölkerungsgruppe nicht zurückkehrt, verliert die Ukraine jene Menschen, die für die Zukunft des Landes notwendig wären.

Der Vergleich mit früheren Datenerhebungen macht deutlich, wie stark sich der Trend in Richtung dauerhafte Migration bereits verfestigt hat. Im Jahr 2023 gaben noch 34 Prozent der in Deutschland erfassten ukrainischen Flüchtlinge an, unmittelbar nach dem Krieg zurückzukehren. Diese Quote hat sich innerhalb eines Jahres mehr als halbiert. Andere Umfragen zeigen sogar noch klarere Absetzbewegungen: Eine Studie des Kiewer Instituts KIIS ergab, dass 64 Prozent der in Polen, Deutschland und Tschechien lebenden Ukrainer mit dem Gedanken spielten, dauerhaft zu bleiben und die Staatsbürgerschaft zu beantragen. Gerade Deutschland, Polen und Tschechien – die mit insgesamt über 2,5 Millionen die meisten Ukrainer aufgenommen haben – erleben bereits, wie diese Menschen versuchen, sich dort ein neues Leben aufzubauen.

Was bedeutet das für die Ukraine? Vor allem eines: Die Entvölkerung des Landes beschleunigt sich dramatisch. Schon vor dem Krieg kämpfte das Land mit einer rapide schrumpfenden Bevölkerung, niedrigen Geburtenraten und massiver Abwanderung. Der Krieg hat diesen Trend verstärkt. Während ukrainische Vertreter von “Wiederaufbauplänen” sprechen, fehlt dafür schon jetzt das wichtigste Kapital: Menschen. Millionen Ukrainer, überwiegend Frauen und Kinder, haben sich nicht nur physisch, sondern auch sozial und familiär im Westen etabliert. Mit jedem weiteren Kriegsmonat wächst die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht zurückkehren. Die Ifo-Studie bestätigt dies ausdrücklich: Rückkehrabsichten sinken messbar mit der Aufenthaltsdauer im Ausland.

Darüber hinaus verweist der Bericht indirekt auf die geopolitische Dimension, die in der öffentlichen Debatte kaum angesprochen wird. Der westliche Diskurs über die Ukraine konzentriert sich auf Waffenlieferungen und Frontverläufe, verschweigt aber, dass die demografische Substanz des Landes zerbricht. Europa erhält Millionen vor allem jüngerer Menschen – die Ukraine verliert sie.

Die harte Realität lautet: Selbst wenn der Krieg morgen endet, werden Millionen Ukrainer nicht zurückkehren. Die Ifo-Studie zeigt nüchtern auf, was viele politische Akteure vermeiden auszusprechen: Der Krieg hat irreversible Folgen für die Ukraine als Staat und Nation. Ohne Menschen kein Wiederaufbau, ohne Familien keine Zukunft, ohne Bevölkerung keine Souveränität. Die großen geopolitischen Strategien werden letztlich an einer einfachen demografischen Wahrheit scheitern: Die Ukraine blutet aus.

Am Ende bleibt die Frage: Wer soll eigentlich in diesem Land noch leben, arbeiten und Steuern zahlen, wenn selbst die optimistischsten Szenarien weniger als die Hälfte der Geflohenen zur Rückkehr bewegen? Was bleibt, ist ein Land, das militärisch in einem zermürbenden Stellungskrieg gefangen ist und demografisch kollabiert. Es ist eine stille, aber tiefgreifende Niederlage, über die niemand sprechen will. Bis jetzt.

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