Die Blockierung eines einzelnen Proteins – Ant2 – könnte dazu beitragen, Krebserkrankungen rasch und effektiv zu bekämpfen. So können die körpereigenen T-Zellen schneller gegen Krebszellen vorgehen. Doch wird diese Behandlung künftig auch eingesetzt? Immerhin könnte diese günstige Behandlung den Gewinnmargen von Big Pharma schaden.
Seit Jahrzehnten wird die Krebsmedizin von zwei Säulen dominiert: schneiden, vergiften, bestrahlen. Unsummen wurden in die “klassischen” Therapien gepumpt, während Patienten nicht selten daran zugrunde gingen, dass ihr Körper im Kampf gegen den Krebs gleichzeitig durch die Behandlung selbst zerstört wurde. Nun zeigt eine internationale Forschergruppe, dass die entscheidende Waffe längst im Körper selbst liegt – und bisher nur falsch getrimmt wurde.
Wissenschaftler der Hebräischen Universität Jerusalem haben in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Marburg und dem texanischen MD Anderson Cancer Center das Protein Ant2 ins Visier genommen. Dieses zuvor wenig beachtete Molekül, bislang eher ein Schattenakteur im Energiestoffwechsel, entpuppt sich als Bremsklotz für die T-Zellen, die zentralen Killerzellen des Immunsystems. Blockiert man Ant2, so die Ergebnisse, verwandeln sich diese T-Zellen in wahre Hochleistungsmaschinen: schneller, zäher, tödlicher.
Die Logik dahinter: Jede Zelle ist nur so stark wie ihre Energieversorgung. Indem die Forscher die “Kabel” der T-Zellen umsteckten, also deren mitochondriale Stoffwechselwege neu justierten, erhielten sie Immunzellen, die nicht nach kurzem Gefecht erschöpft zusammenbrachen, sondern mit Ausdauer und Präzision gegen Tumore vorgingen. Was die Krebsmedizin bisher mit sündhaft teuren toxischen Medikamentencocktails erzwingen wollte, erledigt der Körper nun quasi selbst – wenn man ihn lässt.
Man kann sich die Tragweite vorstellen: Statt das Immunsystem wie bisher mit Immuncheckpoint-Inhibitoren oder teuren CAR-T-Zelltherapien künstlich in Position zu bringen, könnte eine gezielte metabolische Feinabstimmung reichen, um die Killerzellen auf Höchstleistung zu trimmen. Noch dazu gelang der Trick nicht nur genetisch, sondern auch pharmakologisch – sprich: mit Substanzen, die sich potenziell in Pillen oder Injektionen verpacken lassen.
Doch während Forscher euphorisch von einem Paradigmenwechsel sprechen, sollte man sich fragen, warum dieser Weg nicht schon viel früher konsequent verfolgt wurde. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Tumore ihren Stoffwechsel manipulieren, um das Immunsystem lahmzulegen. Dass man die Gegenstrategie – die Aufrüstung des zellulären Kraftwerks – so lange vernachlässigte, liegt wohl weniger an wissenschaftlicher Unwissenheit als am ökonomischen Kalkül: Eine einfache metabolische “Aufrüstung” verspricht keine Milliardengewinne wie endlose Zyklen von Chemotherapie oder patentierte Gentherapien.
Die Studie, veröffentlicht unter dem Titel “Metabolic reprogramming driven by Ant2 deficiency augments T Cell function and anti-tumor immunity in mice” in Nature Communications, zeigt jedenfalls, wie eng Immunität und Energiehaushalt verflochten sind. Wer den Schalter in den Mitochondrien der T-Zellen umlegt, schreibt die Regeln des Kampfes gegen die Tumore neu. Ob daraus jedoch rasch klinische Anwendungen entstehen, hängt weniger vom wissenschaftlichen Potenzial als vom industriellen Willen ab. Schließlich wäre ein Immunsystem, das von selbst stark genug ist, für viele Akteure im Krebsmedikamentenmarkt eher ein Geschäftsrisiko als eine medizinische Revolution.
So steht die Krebsmedizin einmal mehr an einem Scheideweg: Bleibt sie ein Milliardengeschäft für Pharma-Monopolisten oder entwickelt sie sich tatsächlich zu einer patientenorientierten Heilkunst, die den Körper nicht vergiftet, sondern stärkt? Die Antwort darauf wird weniger in den Laboren als in den Chefetagen fallen – dort, wo entschieden wird, ob die Ant2-Blockade ein Durchbruch für die Menschheit oder ein weiteres Opfer der Profitlogik wird.
