Was geschah mit Christian Pilnacek? Gespräch mit Karin Wurm

Symbolbild: KI / R24

Viele Menschen interessiert die Aufklärung des Todes von Christian Pilnacek. In ganz Österreich, aber auch in Rossatz, wo sich der Fall abspielte. Noch in diesem Jahr wird ein von der FPÖ beantragter Untersuchungsausschuss stattfinden. Die ÖVP hat der Bevölkerung bisher ein Narrativ vorgesetzt, das sie schlucken soll: die haarsträubende Mär vom Selbstmord als Folge einer ominösen „Geisterfahrt“. Jetzt aber bröckelt die ganze Erzählung und die Wahrheit drängt ans Licht.

Von Franziska Gabriel

Am Donnerstag, den 27. August 2025, treffen wir Pilnaceks Freundin Karin Wurm in Rossatzbach bei einem Heurigen. Karin Wurm ist eine sehr selbstbewusste und hübsche Frau, eine Kämpferin, die sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Auf die Frage, ob sie von Anna P. und jener gewissen Frau G. (Referentin bei Wolfgang Sobotka, die ihn oft auf Auslandsreisen begleitet hat) ganz bewusst mit Pilnacek verkuppelt wurde, antwortet sie: „Ja. Aber man hat nicht damit gerechnet, dass wir uns verlieben.“

Wer ist Karin Wurm? Karin Wurm stammt aus einer Wiener bürgerlichen Familie und war als junge Frau in der Agentur von Wolfgang Schwarz beschäftigt, wo sie als Model vor der Kamera stand. Später ging sie dann nach Deutschland. Sie war mit einem leitenden CEO des Henkel-Konzerns verheiratet und lebte 20 Jahre in Köln und Hamburg. Sie war in wichtiger Position bei der Firma Synlab beschäftigt und hatte 40 Leute unter sich. Die Synlab-Gruppe hat ihren Sitz in München und ist ein Anbieter für humanmedizinische Labordienstleistungen. 2015 wurden die beiden Labordienstleister Labco und Synlab zusammengeschlossen. Die Synlab-Gruppe ist in 33 Ländern vertreten.

Noch nicht lange in Österreich

Vor sechs Jahren zog Karin Wurm nach Österreich, weil ihre Tochter ein Baby bekam und sie in der Nähe ihrer Kinder leben wollte. Sie mietete das Haus in der Tölling in Rossatz von der Familie W. Karin Wurm hat zunächst nicht gewusst, wer Christian Pilnacek war, wurde aber durch ihre Freundin Anna P., der damaligen Vizebürgermeisterin von Rossatz, immer wieder auf ihn aufmerksam gemacht. Am 14. Juni 2023 stellte Anna P. die beiden einander im Wiener Lokal Cavalluccio vor. Von da an besuchte Pilnacek Karin Wurm mehrmals wöchentlich, ging mit ihr zu diversen Heurigen, traf die Prominenz bei der Starnacht der Wachau und in den Nobellokalen. Er stellte Karin Wurm als die neue Frau an seiner Seite vor.

Christian Pilnacek und Karin Wurm wollten gemeinsam ein neues Leben beginnen. Sie suchten ein Haus in der Nähe von Rossatz und wurden bei einer lokalen Immobilienfirma fündig. Die Stadlhubervilla in Rossatzbach bot dieses Unternehmen auf ihrer Homepage an, mit mehreren Zimmern, mehreren Bädern und Luxus-Einrichtung. Karin Wurm zeigt die Fotos, durch die das Haus lukrativ beworben wurde, auf ihrem Handy her. Beeindruckend. Preis des Hauses: 1,45 Millionen Euro. Auf der Homepage des Immobilienunternehmens findet sich das Objekt derzeit nicht mehr. Es wurde nach Pilnaceks Tod um ein Schnäppchen von 1 Million Euro an einen Schweizer verkauft.

Interview mit Karin Wurm über Christian Pilnacek

Frage: Wie war Christian Pilnacek als Partner?

Karin Wurm: „Er war ein äußerst höflicher und zuvorkommender Mann mit viel Humor. Er war auch extrem sparsam und hing an seinen Sachen. Er half im Haushalt mit und mochte meinen Hund und meine Enkeltochter. Er wusste sehr viel, war gebildet. Er hatte Jobangebote aus Brüssel, Budapest und Dubai und hat sich über seine Zukunft keine Sorgen gemacht. Er war glücklich und verliebt. Die Politik hielten wir bei unseren Gesprächen meistens raus.“

Frage: Was wissen Sie über die erste Ehe von Pilnacek?

Karin Wurm: Seine erste Frau ist Unfallchirurgin und ihr Vater war Perser. Deswegen haben zwei der Kinder auch persische Namen.

Frage: Hatte Pilnacek oft Kontakt mit den beiden Töchtern seiner zweiten Frau, der Gerichtspräsidentin Karoline List?

Karin Wurm: Nein. Er hatte keinen Kontakt zu ihnen.

Frage: Wie kam es dann am Abend vor seinem Tod zu einem Treffen mit einer Tochter von Karoline List im Palais Esterhazy?

Karin Wurm: Ja, er traf die Tochter, aber ich kenne weder den Grund noch den Inhalt des Gesprächs.

Frage: Nach diesem Gespräch war Pilnacek sehr aufgewühlt und beschloss, noch wegzufahren. War das für ihn üblich?

Karin Wurm: Nein, überhaupt nicht. Wir haben auch nicht ausgemacht, dass er nach Rossatz kommt. Er hatte ja die selbe Augenkrankheit wie sein Vater und fuhr nicht gerne nachts. Er fuhr auch kaum alkoholisiert. Deswegen wundert mich das.

Frage: Auffällig war auch sein seltsames Verhalten, als er bei Ihnen in Rossatz ankam.

Karin Wurm: Ja, das war nicht mein Christian. Er wirkte wie unter Drogen. So hab ich ihn nicht gekannt. Er hat mich ignoriert, fast gar nicht wahrgenommen.

Frage: Wie war Ihr Verhältnis zu Anna P.?

Karin Wurm: Wir waren gut befreundet. Und als sie bei ihrem Freund auszog, hab ich gesagt, du kannst bei mir wohnen. Das war im Februar 2023. Sie war immer da. Sie wollte auch gleich in die Stadlhubervilla mit uns einziehen.

Frage: Waren Sie überrascht, dass P. so plötzlich nach seinem Tod bei Ihnen auszog?

Karin Wurm: Ja, schon. Sie hat ihre Sachen gepackt und ist einfach weg gewesen. Sie hat mir davon nichts gesagt.

Frage: In dem leeren Haus in der Tölling hat man eine rote Festplatte gefunden mit Sobotka-Dateien, die Anna P. dort „vergessen“ hatte. Was sagen Sie dazu?

Karin Wurm: Wundert mich nicht! Einmal kam sie zu mir ins Haus mit einer ganzen Kiste und versteckte sie unter der Treppe. Als ich sie fragte, was das ist, sagte sie: „Das sind Akten vom Sobotka. Ich bringe sie in Sicherheit.“

Anders als im Krimi, der im Kopf erdacht wird, ist dieser Fall real

Die Fäden laufen aus verschiedenen Richtungen zusammen und scheinen miteinander verwoben, kompliziert verwickelt. Das wäre ein Fall für jeden guten Kommissar! Ein Stoff für ein Drehbuch ist es jedenfalls: Wir haben einen suspendierten Sektionschef, der sich nächtens trotz Alkoholgenuss von Wien auf die S5 begibt, dort kehrt macht und als Geisterfahrer gestoppt wird. Wenn das überhaupt so stimmt.

Wir haben seine völlig unverständliche Reaktion in Bezug auf seine Geliebte, die er beim Heimkommen nicht beachtet. Wir haben einen arg‑ und angstlosen Christian Pilnacek, der sich nach Mitternacht aufmacht, um jemanden in der finsteren Oktobernacht zu treffen, den er vermutlich kennt.

Wir haben eine Sobotka-Referentin, die sich offenbar in der Todesnacht wenig Sorgen macht, nicht versucht, ihn aufzuhalten, obwohl wissend, dass er viel Geld einstecken hatte. Wir haben eine Witwe, die das wichtigste Beweismittel, sein Handy, mit einem Bunsenbrenner vernichtet. Wir haben eine Polizei, die auf Suizid beharrt und keine Nachforschungen anstellt. Wir haben einen ehemaligen Nationalratspräsidenten, der sich den Laptop von Pilnacek nicht angreifen traut, wegen der Fingerabdrücke. Wir haben einen Ex-Kurzzeitkanzler, der als Erster wenige Stunden nach Auffindung der Leiche öffentlich den Selbstmord Pilnaceks verkündet. Wir haben einen Geldgeber Rauball, der Anfang 2025 stirbt – plötzlich und unerwartet.

Und wir haben eine Presse, die nahezu gleichlautend ein Narrativ verkündet, ohne gründliche Recherche. Es ist ein komischer und trauriger Fall zugleich. Ein seltsamer Fall, wo Datenträger wichtiger sind als die Menschen. Es ist ein Fall, wo das Motiv und die Suche nach dem Mörder, oder seinem Auftraggeber, gar nicht vorkommen! Es ist ein Fall, bei dem einfach nichts stimmt.

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