Wie die Menschen in Chéran korrupte Politiker kurzerhand fortjagten

Symbolbild: KI / R24

Wenn Politiker die Interessen der Bürger ignorieren, kann der Volkszorn explodieren. Das zeigte 2011 das mexikanische Dorf Cherán, als die Bewohner, angeführt von Frauen, korrupte Politiker, Polizisten und die Drogenmafia vertrieben: Mit Straßensperren, Schaufeln und Macheten erzwangen sie Autonomie, schafften Parteien ab und gründeten einen transparenten Ältestenrat. Cherán wurde ein Vorbild für Selbstverwaltung, frei von Kriminalität und Korruption.

Der folgende Artikel von Klara Blick erschien zuerst auf Haintz.Media:

Die Gemeinde »Cherán« liegt etwa 360 km westlich von der Hauptstadt Mexiko-Stadt und hat knapp 17 000 Einwohner. Cherán ist Vorbild für einen Regierungsstil, der auf Politiker verzichtet und auf Selbstverwaltung setzt. 

Der Aufstand 

Wie viele mexikanische Dörfer hatte Cherán unter organisiertem Verbrechen und Korruption zu leiden. Die Frustration über die Untätigkeit der Politiker, die weder willens noch fähig waren, die Bewohner adäquat zu schützen, führte zu einem Aufstand mit drastischen Folgen. Der 15. April 2011 war der Tag, an dem die Dorfbewohner alle Polizisten, Politiker und den Bürgermeister aus der Stadt verbannten. Der konkrete Anlass waren illegale Holzschlagaktivitäten, die von der Verwaltung und korrupten Politikern nicht verhindert und sogar noch mit legalen Exportpapieren unterstützt wurden.

2008 hatten Holzfällerbanden in großem Stil begonnen, ganze Hänge kahlzuschlagen und den Reichtum der Region, den kostbaren Wald, Lastwagen um Lastwagen abzutransportieren, um das gestohlene Holz gewinnbringend zu verkaufen. Am Morgen des Aufstandes blockierten aufgebrachte Einwohner die Zufahrtswege für die LKWs mit Straßensperren und nahmen die Fahrer als Geiseln. Trotz eines Killerkommandos der Drogenmafia, das mit »Maschinengewehren ausgerüstet« entsandt wurde, war die Gegenwehr der Bewohner mit Schaufeln, Steinen und Macheten zu heftig und trieb das Drogen- und Holzräuberkartell in die Flucht und mit ihnen gleich alle Polizisten des Dorfes, die sie der Mittäterschaft und Korruptheit schuldig befanden. Auch der Bürgermeister, die notorisch korrupten Politiker und sämtliche politischen Parteien wurden aus der Stadt verjagt. Bürgerwachen und Barrikaden bewachten fortan die Zufahrtswege. So eroberte sich das Dorf seine Autonomie und seinen Frieden zurück. 

„Wir konnten den Behörden und der Polizei nicht mehr trauen“, sagte Josefina Estrada, eine zierliche Großmutter, die zu den Frauen gehört, die den Aufstand angeführt haben. „Wir hatten nicht das Gefühl, dass sie uns beschützen oder uns helfen. Wir sahen sie als Komplizen der Kriminellen.“

»Josefina Estrada«

Neue Strukturen: Selbstverwaltung und Anerkennung

Der Aufstand in Cherán war nicht bloß der Rauswurf einer Politikergarde, sondern der Auftakt zu einer neuen, autonomen Form der Selbstverwaltung durch den »Concejo Mayor«, den Obersten Rat, einen Ältestenrat mit Mitgliedern aller Viertel der Gemeinde. Daneben formierten sich weitere Räte wie der Rat der Frauen oder der Bildungsrat. Die Institution der Polizei, Wahlen und politische Parteien wurden abgeschafft. Zu einem Symbol der Selbstverwaltung entwickelten sich die fast 200 Lagerfeuer, die die Bürger an den Straßenecken und Zugängen zur Stadt errichteten und an denen sie Tag und Nacht Wachen gegen unerwünschte Eindringlinge postierten. Die Feuer entwickelten sich auch zu Orten für gemeinschaftliches Kochen, Versammlungen und Informationsaustausch.

Cherán hat durch eine Kombination von direkter Demokratie, aktiver Gemeinschaft, Rechenschaftspflicht bei allen Geschäften und Besinnung auf traditionelle Wurzeln ein erfolgreiches Verwaltungsmodell geschaffen. Wichtige Geschäfte werden in der monatlichen Gemeindeversammlung vom Volk abgesegnet und zur Vermeidung von Korruption gibt es keinen Finanzdirektor mehr und »erst recht keinen Polizeichef«. Rechenschaftspflicht für alle Ausgaben und Aktivitäten führen zu großer Transparenz. Die Menschen, die die Viertel vertreten, werden aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihrer Vertrauenswürdigkeit vorgeschlagen und zu Abgeordneten gewählt. Ab dem Moment stehen sie aber unter besonderer Beobachtung, denn die Bewohner haben ihr Misstrauen gegenüber Amtspersonen nicht abgelegt. Cherán hat in langen Rechtsstreitigkeiten mit der mexikanischen Regierung den Status als autonome »legale selbstverwaltete indigene Gemeinschaft« erlangt.

Resilienz gegenüber Regierungspropaganda

Entgegen der Unkenrufe mancher Kritiker versank das Dorf nicht im Chaos, sondern schaffte eine produktive Gemeinschaft, in der Kriminalität und Korruption keinen Platz mehr haben. Das Dorf hat seine eigenen Sicherheitsstrukturen errichtet, setzt auf traditionelle Landwirtschaft und Selbstversorgung und schützt seine Wälder vor Raubbau. In der Zeit der Coronamaßnahmen hat das Dorf seinen eigenen Weg gefunden. Yunuen Torres berichtet in einem »Podcast«, dass das Dorf bei Ausrufung der Pandemie auch aufgrund der Nachrichten Angst hatte und auch Maßnahmen wie Kontaktreduzierung vornahm. Das Dorf schottete sich gegenüber Besuchern zwar ab, die Menschen gingen aber bald wieder ihren Beschäftigungen nach, da sie, so Torres, „nicht mehr so sehr auf die Nachrichten“ vertrauten. Die Gemeinschaft führte zwar mehr sanitäre Maßnahmen ein, organisierte aber auch ein gemeinsames Kochen und Versorgen der Menschen, die alleine nicht zurechtkamen. Beim Transitverkehr wurde verstärkt auf Schutzmaßnahmen gesetzt, aber bei Fragen der Impfung blieb die Entscheidung stets individuell und ohne Druck. 

Man kann sich vorstellen, dass es für die indigenen Gemeinden nicht einfach ist, ihre Unabhängigkeit konsequent zu behaupten. Sie bleibt der Staatsregierung ein Dorn im Auge, zeigt sie dieser doch deren eigene Überflüssigkeit und Schwachpunkte auf.

Zu der neuen Unabhängigkeit gehört in den Staaten des Globalen Südens auch, das vom Westen aufgedrängte, oft genetisch manipulierte Saatgut zu verweigern und wortwörtlich zu ihren „eigenen Wurzeln“ zurückzukehren. Diese Abkehr von GMO-Saatgut (GMO: genetically modified organisms), sei es bei Baumwolle, Mais, Reis oder anderen Pflanzen, findet in Südamerika, Afrika und Asien statt und ist Zeichen einer »globalen Unabhängigkeitsbewegung« von westlicher Bevormundung, an der wenige Großkonzerne verdienen und die zu ungewollten Abhängigkeiten und Verarmung führt. 

Cherán hat nicht nur eigene Sicherheitsstrukturen etabliert, sondern seine Ernährungssouveränität gesichert und schützt seine Ressourcen und Wälder durch Aufforstung, statt sie durch Profitgier und Kahlschlag zu gefährden. Gewalt, Korruption, Entführungen, Erpressung, Schutzgeldforderungen, Überfälle und die illegale Abholzung sind passé. Und das in einem als hochgradig kriminell geltenden Land. 

“Cheránisation“

Cherán hat sich zu einem Vorbildmodell für autonome Selbstverwaltung gemausert und mehrere Gemeinden folgten seinem Beispiel. Die Gemeinde Nahuatzen schaffte die korrupte Kriminalität ab und seine Selbstverwaltung wurde 2017 offiziell als »Indigenous Citizens` Council« anerkannt. Laut »The Peninsula« kämpften 2020 bereits 50 indigene Gemeinschaften dem Beispiel Cheráns folgend um die autonome Selbstverwaltung. 

Müssen deutsche Politiker ein ähnliches Schicksal „fürchten“?

Die Antwort auf die Frage ist – ob leider oder nicht, mag jeder für sich selbst entscheiden – nein. Diese Modelle funktionieren nur in intakten, kulturell homogenen Gesellschaften. Nur in Gesellschaften, die einem gemeinsamen Wertekanon folgen und eine Wertschätzung ihrer ureigenen Traditionen gewähren.

Die Länder Europas haben ihre einheitlichen kulturellen Identitäten durch die massive Aufnahme von größtenteils muslimischen Migranten verloren. Solange es nicht geschafft wird, dass diese integrationsbereit in die Kultur der Länder, in denen sie eine neue Heimat finden möchten, einem westlichen Wertekanon mit Gleichberechtigung von Mann und Frau, Achtung jeglicher sexueller Orientierung und strenger Trennung von Religion und Staat zustimmen, ist die überbrachte kulturelle Identität der Staaten Europas in Gefahr. Durch große Einwanderungsgruppen geht der (indigenen) Gesamtgesellschaft der Bezug zu ihren Traditionen, Werten, ihrer Sprache und Geschichte so verloren, dass sich ein Vorbild wie das von Cherán nicht mehr verwirklichen lässt. Resignierend gesagt: Da werden sich die Politiker freuen, ihre Posten sind nicht in Gefahr.

Dieser Artikel ist eine Übernahme von Haintz.Media (mit freundlicher Genehmigung). Die Einleitung stammt von Report24.

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