Israel, Syrien und die Schattenkrieger: Ein Pulverfass explodiert

Symbolbild (C) R24/KI

Die Welt schaut nach Syrien – oder besser gesagt: Die Welt sollte nach Syrien schauen. Während die Aufmerksamkeit vielerorts auf andere Krisenherde gerichtet ist, entfaltet sich im Nahen Osten ein Drama, das nicht nur die Region, sondern die globale Ordnung erschüttern könnte. Israel, das sich bislang offiziell aus dem syrischen Bürgerkrieg herausgehalten hatte, greift nun offenbar aktiv ein. Mit Luftangriffen, Panzern und einer klaren Botschaft: Sicherheit für Israel, koste es, was es wolle.

Laut Berichten der Jerusalem Post und des israelischen Senders N12 hat die israelische Luftwaffe Angriffe auf mutmaßliche Chemiewaffenfabriken in Syrien geflogen. Ziel sei es, zu verhindern, dass diese tödlichen Waffen in die Hände islamistischer Milizen fallen. Ein israelischer Armeesprecher verweigerte jeden Kommentar – ein Schweigen, das in der Region oft lauter spricht als Worte.

Die Erinnerung an die Chemiewaffenangriffe des syrischen Regimes unter Bashar al-Assad ist noch frisch. Ost-Ghuta, August 2013: Hunderte, vielleicht über tausend Menschen starben qualvoll durch das Nervengas Sarin. Die Welt war entsetzt, doch die Reaktionen blieben halbherzig. Assad versprach unter internationalem Druck, seine Chemiewaffen zu vernichten – ein Versprechen, das er immer wieder brach. Die UN machte ihn für weitere Angriffe verantwortlich, doch auch islamistische Milizen sollen Giftgas unter falscher Flagge eingesetzt haben. In diesem toxischen Chaos agiert Israel nun als selbsternannter Ordnungshüter.

Doch es bleibt nicht bei Luftangriffen. Israel hat Panzer und Bodentruppen in die Pufferzone auf den Golanhöhen verlegt, jenem strategisch wichtigen Gebiet, das seit 1967 von Israel besetzt ist. Die offizielle Begründung: Schutz der israelischen Bevölkerung. „Wir werden so lange bleiben, wie es notwendig ist“, heißt es aus Militärkreisen. Doch die Botschaft ist klar: Israel wird keine Bedrohung an seiner Grenze dulden – weder von Assad noch von den islamistischen Milizen, die sich in der Region breitmachen.

Die Golanhöhen sind mehr als nur ein geopolitischer Zankapfel. Sie sind ein Symbol für die Komplexität des Nahostkonflikts. Israel sieht sich als Bastion der Sicherheit, während Syrien und seine Verbündeten – Iran, die Hisbollah und andere Mitglieder der sogenannten „Achse des Widerstands“ – die Besatzung als illegitim betrachten. In diesem Spannungsfeld agiert Israel mit einer Mischung aus militärischer Härte und strategischer Ambiguität.

Doch die Geschichte wird noch komplizierter. Während Israel vorgibt, gegen den Terrorismus zu kämpfen, werfen Berichte ein beunruhigendes Licht auf die Verstrickungen des Westens in den syrischen Bürgerkrieg. Die Vereinigten Staaten, so zeigen deklassifizierte Dokumente, haben seit 2011 Milliarden in die Bewaffnung und Ausbildung syrischer Rebellen investiert – darunter auch Gruppen mit Verbindungen zu Al-Qaida und ISIS. Operation „Timber Sycamore“, ein CIA-Programm, das an die Unterstützung der Mudschaheddin in Afghanistan erinnert, hat den Konflikt weiter angeheizt. Die Parallelen sind erschreckend: Wie damals in Afghanistan führte die westliche Unterstützung zu einer Stärkung extremistischer Gruppen, die später zu globalen Bedrohungen wurden.

Israel selbst hat laut Berichten Waffen und medizinische Hilfe an syrische Rebellen geliefert, darunter auch an die Nusra-Front, den syrischen Ableger von Al-Qaida. Der ehemalige israelische Militärgeheimdienstchef Amos Yadlin erklärte unverblümt, dass sunnitische Extremisten wie Al-Qaida für Israel das „geringere Übel“ seien – schließlich kämpften sie gegen die Hisbollah und den Iran, die Israel als größere Bedrohung betrachtet. Diese zynische Realpolitik zeigt, wie tief die moralischen Abgründe in diesem Konflikt reichen.

Besonders perfide ist die westliche Unterstützung für die Gruppe Hay’at Tahrir al-Sham (HTS), die aus der Nusra-Front hervorgegangen ist. Durch eine geschickte PR-Kampagne hat sich HTS als „moderate Opposition“ inszeniert, obwohl sie weiterhin die Ideologie von Al-Qaida teilt. Im Westen spricht man gar von „diversitätsfreundlichen Dschihadisten“ – ein Euphemismus, der an Absurdität kaum zu überbieten ist. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich dieselbe Brutalität, die den syrischen Bürgerkrieg seit Jahren prägt.

HTS hat kürzlich Aleppo, die zweitgrößte Stadt Syriens, erobert – mit Unterstützung der Türkei, einem NATO-Mitglied. Die westlichen Medien feiern die „Rebellen“, doch die Realität ist eine andere: Es handelt sich um eine Reinkarnation von Al-Qaida, die mit westlicher und türkischer Hilfe eine neue Hochburg errichtet hat. Die Ironie: Dieselben Kräfte, die den „Krieg gegen den Terror“ propagieren, unterstützen in Syrien genau jene Gruppen, die sie angeblich bekämpfen.

Die Lage in Syrien ist ein Lehrstück für die Abgründe internationaler Politik. Israel, das sich als Verteidiger der Demokratie und Sicherheit präsentiert, agiert in einem moralischen Graubereich, der kaum zu rechtfertigen ist. Der Westen, der sich als Hüter der Menschenrechte inszeniert, hat durch seine Unterstützung extremistischer Gruppen den Konflikt weiter eskaliert. Und Russland, Iran und die Hisbollah, die sich als Verteidiger der syrischen Souveränität darstellen, verfolgen ihre eigenen machtpolitischen Interessen.

In diesem Chaos bleibt die syrische Bevölkerung auf der Strecke. Millionen sind auf der Flucht, die Wirtschaft liegt in Trümmern, und die Hoffnung auf Frieden scheint weiter entfernt denn je. Die internationale Gemeinschaft hat versagt – und das auf ganzer Linie. Israel mag seine Angriffe als notwendige Verteidigung rechtfertigen, doch die Wahrheit ist: Jeder Bombenangriff, jede militärische Intervention gießt weiteres Öl ins Feuer. Der syrische Bürgerkrieg ist längst kein lokaler Konflikt mehr. Er ist ein globales Schachbrett, auf dem die Großmächte ihre Machtspiele austragen – auf Kosten der Menschen, die in diesem Krieg gefangen sind. Die Frage ist nicht, ob das Pulverfass Syrien explodiert. Es ist längst explodiert. Die Frage ist, wie viele weitere Funken noch gezündet werden, bevor die Welt endlich aufwacht.

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