Erinnern Sie sich noch an 2010? Da spielten Merkel und Sarkozy die Retter Griechenlands – eine grandiose Inszenierung, bei der am Ende Mario Draghi mit seinem „Whatever it takes“ den Deus ex Machina geben musste. Heute würde nicht mal mehr dieser Trick funktionieren. Denn diesmal ist es keine mediterrane Randnotiz, die wackelt – es ist Frankreich, der einstige Musterschüler der europäischen Klasse.
Die Grande Nation präsentiert sich derzeit als Grande Catastrophe: Über 110 Prozent Staatsschulden vom BIP, ein Defizit von mehr als 6 Prozent (die EU erlaubt großzügig 3 Prozent), und eine Staatsquote, die mit 57 Prozent selbst deutschen Sozialdemokraten die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste. Aber hey, wenigstens können die Franzosen schon mit 64 in Rente gehen – wenn das Land bis dahin noch nicht pleite ist.
Der jüngste Akt dieser Tragikomödie: Michel Barnier, der letzte Mohikaner der fiskalischen Vernunft, wurde per Misstrauensvotum in die Wüste geschickt. Sein unverzeihliches Vergehen? Er wollte tatsächlich sparen. 40 Milliarden Euro weniger ausgeben und 20 Milliarden mehr einnehmen – in Frankreich offenbar ein politisches Todesurteil.
Während Deutschland noch von seinem industriellen Erbe zehrt (wenn auch mit rasant schwindender Substanz), hat Frankreich diesen Trumpf längst verspielt. Gerade mal 18,8 Prozent der Wirtschaftsleistung kommen aus der Industrie. Der Rest? Services, Bürokratie und ein paar Luxusmarken, die man sich in China noch leisten kann.
Die Zahlen sind brutal: 25 Prozent Kostensteigerung seit 2019, 65.000 erwartete Insolvenzen dieses Jahr, eine Handelsbilanz so rot wie ein gut gereifter Bordeaux. Und Präsident Macron? Sitzt in seinem Élysée-Palast und kann oder will weder zurücktreten noch Neuwahlen ausrufen.
Anders als bei der Griechenland-Krise gibt es diesmal keine reichen Onkel mehr, die einspringen könnten. Deutschland kämpft selbst ums wirtschaftliche Überleben, und die EZB hat ihr Pulver mit Draghis Zaubertricks weitgehend verschossen. Frankreich ist, wie man an der Wall Street sagen würde, „too big to fail“ – und genau das macht die Sache so gefährlich.
Die Kombination aus französischer Reformverweigerung, deutscher Wirtschaftsschwäche und geopolitischen Spannungen könnte sich als toxischer Cocktail für den Euro erweisen. Zwar hat die EZB seit der Griechenland-Krise neue Instrumente entwickelt, aber gegen politische Realitätsverweigerung ist selbst die beste Zentralbank machtlos.
Was bleibt? Ein Euro, der zwischen französischer Misère und deutscher Malaise taumelt. Die gemeinsame Währung mag noch keine „Schrott-Währung“ sein, aber der Weg dorthin ist kürzer geworden. Und diesmal wird kein „Whatever it takes“ reichen, um das Ruder herumzureißen. Die bittere Ironie: Während wir uns noch über Griechenlands Probleme mokierten, hat sich im Herzen Europas eine viel größere Krise zusammengebraut. Frankreich ist nicht das neue Griechenland – es ist viel schlimmer. Es ist Frankreich.