Die „Rechtswissenschaftliche Stellungnahme zu einem Parteiverbotsverfahren gegen die ‚Alternative für Deutschland'“, die eine Gruppe von Verfassungsrechtlern geschrieben hat, gibt beunruhigendes Gedankengut preis: Nicht nur, dass man in bekannter Manier unliebsame Kritik kurzerhand als verfassungsfeindlich und rechtsextrem brandmarkt – man erörtert darin auch, dass das Parteiverbot den Weg für eine Umerziehung der Bevölkerung bahnen solle.
Ein Kommentar von Vanessa Renner
„Verfassungsrechtler“ mag sich für manch einen noch nach objektiven Experten anhören, doch dahinter verbergen sich natürlich auch nur Individuen mit ihren eigenen Vorstellungen und Agenden. Da findet man beispielsweise ein SPD-Mitglied, ein anderer von ihnen befand Kritik der „Bild“-Zeitung an Anti-Israel-Mobs an Hochschulen glatt als „Hetze„, einer glänzt auf X mit „lustigen“ Vorschlägen, man könne Putin ja Telefone an den Kopf werfen und beklatscht Robert Habecks Forderungen nach einer Regulierung (also: Zensur) von X, wieder ein anderer vertritt nach Meinung von Verfassern eines Rechtsgutachtens für das sächsische Staatsministerium „Rechtsansichten, [die sich mit] elementare[n] Grundsätze[n] des geltenden Richterrechts“ nicht in Einklang bringen lassen, wenn es um unliebsame AfD-Richter geht.
Jede kritische Äußerung „Beleg“ für „Verfassungsfeindlichkeit“?
Es überrascht nicht sonderlich, dass man im „Expertenpapier“ (hier nachzulesen), das unaufgefordert an Innen- und Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags gesandt wurde, echte Beweise für Angriffe auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung durch die AfD abermals vergeblich sucht. Stattdessen scheint das geistige Konstrukt der Arbeit vielmehr darauf zu beruhen, dass man bestimmte Meinungsäußerungen und Positionen als verfassungswidrig und rechtsextrem einstuft, um darauf aufbauend die Verfassungswidrigkeit einer ganzen Partei anzunehmen. So soll es als Beleg der Verfassungsfeindlichkeit der AfD auf Bundesebene gelten, dass Alice Weidel in einem Facebook-Post schrieb: „Hürden für Doppelpass-Straftäter senken: Deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen und abschieben!“ Hintergrund sei die Annahme eines „ethnisch-kulturellen Volksbegriffs“.
In diesem Kontext nimmt man auch auf die längst ins Reich der Märchen verbannte Correctiv-„Recherche“ zur angeblich geplanten „Deportation“ von Staatsbürgern Bezug, was angesichts bestehender Gerichtsurteile zu dieser Causa mehr als bezeichnend ist. Nach der vorliegenden Stellungnahme scheint allein der Begriff der „Remigration“ ein Verstoß gegen das Grundgesetz zu sein. Damit agierte wohl jede Behörde, die jemals Sachbearbeiter für Remigration angestellt hatten, verfassungsfeindlich? Man wundert sich.
Auch Kritik an kriminellen Migranten oder gar Antisemitismus scheint sauer aufzustoßen – so wertet man etwa das folgende Zitat von Götz Frömming als Beispiel für „Ausländer- und islamfeindliche Agitation“:
„Eine Zunahme des Antisemitismus an Schulen wird auch in anderen europäischen Ländern beobachtet. Konkreter muss es heißen: in westeuropäischen Ländern. In osteuropäischen Ländern gibt es dieses Problem so gut wie nicht: zum einen, weil es dort weniger Muslime gibt, zum anderen aber auch, weil der moderne Antisemitismus dort nicht das linke, woke Biotop findet, in dem er heute besonders gut gedeiht, weil man ihn dort nicht unbedingt vermutet.“
An erster Stelle für „Belege“ für „sexistische, homo- und transphobe, queerfeindliche und ableistische Agitation“ darf übrigens wieder ein Zitat von Alice Weidel herhalten – spätestens hier wird es unfreiwillig komisch, ist Weidel doch homosexuell. Ihre „Agitation“ sah 2023 so aus:
„Was den Leuten extrem auf den Wecker geht, dass unter dem Motto der Regenbogenflagge hier jetzt so eine Trans-Popkultur einer Minderheit gefördert wird und die Menschen sich einfach nur noch fragen, wie schützen wir eigentlich unsere eigenen Kinder in den Schulen und Kitas davor, dass so etwas vermittelt wird.“
Unter „Bestrebungen gegen das Demokratieprinzip“ derweil führt man nicht etwa Träumereien von der Diktatur auf, sondern Kritik am bekanntermaßen weisungsgebundenen Verfassungsschutz. Dabei müssen sogar Zitate herhalten, die die AfD im Kern in ihrer Kritik bestätigten – wie eines von Jörn König, der emotional auf die Falschdarstellung der angeblichen Hetzjagd in Chemnitz hinwies. Zur Erinnerung: Eine nüchterne Einschätzung dieser Behauptungen hatte dazu geführt, dass Hans-Georg Maaßen sein Amt als Verfassungsschutzpräsident niederlegen musste – obwohl er, wie später gerichtlich bestätigt wurde, richtig lag. König hatte 2024 auf Instagram angeprangert:
„Jetzt sind die Merkelschen Hetzjagd-Lügen geplatzt: Das Landgericht Chemnitz hat nach sechs Jahren die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen neun angeklagte ‚Hetzjäger‘ abgelehnt. Lüge und mediale Macht sind die Machtinstrumente der heute Herrschenden! Mehr haben sie nicht mehr!“
Wenn beliebig anmutende Zuschreibungen von „Verfassungsfeindlichkeit“ bei Meinungsäußerungen von AfD-Politikern als „Beleg“ herhalten müssen (wo sind Gerichtsurteile, die das stützen?), steht es um die argumentative Basis wohl in Wahrheit nicht besonders gut – dieser Eindruck drängt sich zumindest dem kritischen Leser dieses Statements auf. Dass man dann noch die „Geschehnisse im Thüringer Landtag am 26.9.2024“ als „Beleg“ anzubringen versucht, hilft auch nicht. Wir berichteten hier über dieses fragwürdige Schauspiel:
Was die Verfassungsrechtler (!) praktischerweise nicht erwähnen, ist übrigens, dass die Klage nach dieser Nicht-Machtergreifung unter anderem vom Sohn des darüber entscheidenden Richters am Thüringer Verfassungsgerichtshof mit eingereicht worden war. Für viele war das der wahre Skandal im September in Thüringen – und nicht, dass der AfD-Alterspräsident auf Einhaltung der Geschäftsordnung beharrt hatte.
Ziel: Umerziehung der Bevölkerung?
Mögen diese vermeintlichen „Belege“ schon beunruhigend wirken, scheint doch jede Kritik an der Politik der (Schw)Ampel plötzlich verfassungsfeindlich und extremistisch zu sein, kann man weitere Ausführungen in der Stellungnahme als regelrecht bedrohlich auffassen: Dort wird nämlich erörtert, dass das Parteiverbot nur der „Anfang“ sei und dass man damit vor allem auch auf die Bekämpfung unliebsamer Ansichten in der deutschen Gesellschaft abziele.
Das Parteiverbot eröffne ein Zeitfenster von einigen Jahren, „die genutzt werden können und genutzt werden müssen, um effektiv gegen die weiterhin vorhandenen rechtsextremen Ansichten in der Bevölkerung effektiv vorzugehen und das erneute Erstarken rechtsextremer Parteien zu verhindern“. Wie muss man sich das vorstellen? Kommen nach dem AfD-Verbot dann die Umerziehungslager?
Kein Bürger bei klarem Verstand heißt irgendeine Form von Extremismus gut, doch wenn die Feststellung, dass der Verfassungsschutz lediglich eine weisungsgebundene Behörde ist, Kritik an ungebremster Massenmigration und kriminellen Migranten oder auch das Hinterfragen der Trans-Propaganda an Schulen „rechtsextrem“ ist, dann sind weite Teile der Bevölkerung wohl genau das. Solche Einstellungen finden sich bei weit mehr Bürgern als nur den 20 Prozent, die offen die AfD befürworten. Das macht sie zu wandelnden Zielscheiben für wie auch immer geartete Maßnahmen, um ihre „Ansichten“ zu verändern. Das ist ein beispielloser Angriff auf die Demokratie.
Am Ende liest sich das Statement somit wie ein verquerer AfD-Wahlaufruf für alle Deutschen, die nicht wollen, dass Regierungskritik kriminalisiert, gemaßregelt und „wegerzogen“ wird.