In Berlin gilt in Sachen Unterbringung von Asylzuwanderern offensichtlich der Grundsatz, dass man die Sorgen der Bürger zwar anhört, diese dann jedoch geflissentlich ignoriert. Was die Menschen selbst wollen, spielt einfach keine Rolle. Wie lange werden die Wähler das noch mittragen?
In der Hauptstadt spitzt sich der Konflikt um die Unterbringung von Asylzuwanderern dramatisch zu. Was sich derzeit in Berlin abspielt, erinnert an eine politische Tragikomödie – allerdings eine, bei der den Bürgern das Lachen längst vergangen ist. Die rot-schwarz geführte Landesregierung hat sich in den Kopf gesetzt, die Zeltstadt in Tegel zu entlasten. Doch die Alternative lässt einem den Atem stocken: Statt einer großen Unterkunft nun viele kleinere, verteilt über das gesamte Stadtgebiet. Man könnte es auch „Gießkannenprinzip der besonderen Art“ nennen.
Besonders bemerkenswert ist die Äußerung des SPD-Staatssekretärs Max Landero, der mit einer erstaunlichen Mischung aus Verständnis und Durchsetzungswillen verkündet, man werde am „Leitbild der dezentralen Unterbringung“ festhalten – und zwar auch gegen den Widerstand der Stadtgesellschaft. Ein interessantes Demokratieverständnis, das da durchschimmert.
Das „City Hotel Berlin East“ im beschaulichen Lichtenberg wurde bereits kurzerhand in eine Unterkunft für 1.200 Menschen umfunktioniert. Im gediegenen Westend sollen weitere 1.500 Migranten untergebracht werden. Die Mathematik dahinter ist simpel: Viele kleine Einheiten ergeben in Summe dasselbe wie eine große – nur eben schön verteilt über die Stadt, damit sich niemand beschweren kann, sein Kiez sei überproportional betroffen.
Landero, der sich in der komfortablen Position befindet, solche Entscheidungen treffen zu können, ohne selbst mit den unmittelbaren Konsequenzen leben zu müssen, garniert seine Durchhalteparolen mit dem üblichen Verweis auf die „humanitäre Pflicht“ und Berlins angebliche Stärke. „Berlin packt das“, verkündet er mit einer Gewissheit, die man sich von der Verwaltung viel mehr bei anderen Themen wünschen würde.
Was der Staatssekretär dabei elegant übergeht: Die Sorgen der Anwohner werden zwar „gehört“ – aber prompt ignoriert. Es ist eine Form der politischen Gehörlosigkeit, die sich in einem bemerkenswerten Satz manifestiert: Ja, wir hören euch – und nein, es interessiert uns nicht. Die Botschaft ist klar: Die Berliner Regierung hat einen Plan, und dieser Plan wird durchgezogen – Bürgerproteste hin oder her. Demokratie à la Berlin 2024: Man hört zu, nickt verständnisvoll und macht dann genau das, was man ohnehin vorhatte.
Während in den Amtsstuben die Planungen für weitere Unterkünfte voranschreiten, bleibt den Berlinern nur die Erkenntnis, dass „dezentrale Unterbringung“ offenbar ein Euphemismus für „überall“ ist. Eine Stadt, die sich selbst als weltoffen und demokratisch bezeichnet, demonstriert eindrucksvoll, wie man Bürgerbeteiligung elegant umschifft. Die Frage, die sich am Ende stellt: Wie lange kann eine Politik funktionieren, die sich systematisch über die Bedenken ihrer Bürger hinwegsetzt? Die Antwort darauf werden wohl die nächsten Wahlen geben – sofern bis dahin noch jemand an die Wirksamkeit demokratischer Prozesse glaubt.