Zucker ist mittlerweile aus der alltäglichen Ernährung nicht mehr wegzudenken. Schon unsere Kleinsten werden Unmengen des „süßen Giftes“ ausgesetzt. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die britische Kriegsrationierung des Zweiten Weltkriegs uns heute noch etwas über gesunde Ernährung beibringen könnte?
Die Wissenschaftler der University of Southern California, McGill University und UC Berkeley haben sich die unfreiwilligen „Versuchskaninchen“ der britischen Nachkriegszeit vorgeknöpft – und siehe da: Die ersten 1.000 Lebenstage ohne Zuckerschleck sind laut der kürzlich veröffentlichten Studie mit dem Titel „Exposure to sugar rationing in the first 1000 days of life protected against chronic disease“ Gold wert. Die Zahlen sind eindrucksvoll: 35 Prozent weniger Diabetes-Risiko und 20 Prozent weniger Bluthochdruck im späteren Leben.
Während der Rationierung mussten sich die Briten mit läppischen acht Teelöffeln Zucker pro Tag begnügen – heute würden viele Kinder darüber nur müde lächeln, während sie ihr zuckerbombardiertes Frühstücksmüsli löffeln. Kaum war die Rationierung vorbei, verdoppelte sich der Zuckerkonsum schneller, als man „Praline“ sagen konnte.
Die Studienleiterin Tadeja Gracner hat dabei festgestellt: Nicht nur die Schwangerschaft ist entscheidend, sondern vor allem die Zeit danach. Es ist wie bei einem Computer – die grundlegenden Einstellungen werden in der Startphase programmiert. Wer in den ersten zwei Lebensjahren auf Zucker verzichtet, verschafft seinem Körper einen Vorsprung von bis zu vier Jahren, bevor sich Diabetes einschleicht. Besonders interessant: Frauen reagieren noch empfindlicher auf den süßen Verführer. Die Wissenschaft vermutet, dass sie anfälliger für Zuckersucht sind.
Die WHO pocht darauf, dass Kinder unter zwei Jahren komplett auf zugesetzten Zucker verzichten sollten. Klingt hart? Vielleicht. Aber angesichts der Tatsache, dass der durchschnittliche Supermarkt heute mehr Zucker enthält als eine Konditorei der 1950er Jahre, ist es höchste Zeit für ein Umdenken. Gracner betont jedoch auch, dass es nicht darum geht, jeden Geburtstagskuchen zu verteufeln. Es geht um das große Ganze, um die täglichen Gewohnheiten.
Die Studie zeigt: Wer seinen Kindern in den ersten 1.000 Tagen den Zucker vorenthält, schenkt ihnen keine Entbehrung, sondern einen Vorsprung fürs Leben. Und wer weiß – vielleicht werden unsere Enkelkinder eines Tages ungläubig den Kopf schütteln, wenn sie hören, dass wir unseren Kleinsten einst bedenkenlos Zuckerbomben in Form von Fruchtjoghurt und süßen Cornflakes serviert haben. Manchmal braucht es einen Blick in die Vergangenheit, um die Zukunft gesünder zu gestalten.