Verwaltungsgericht hinterfragt Impfzwang in Deutschland: Juristin analysiert Beschluss im Detail

Bild: freepik

Am 3. September sorgte ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück für Aufsehen: Erstmals wurde in Deutschland die einrichtungsbezogene Impfpflicht von einem Richter infrage gestellt – und erstmals wurde auf Basis der Offenlegungen aus den RKI-Protokollen am Narrativ, das den Impfzwang als Ganzes begründen sollte, gesägt. Juristin Cornelia Margot, bekannt für ihre tiefgehenden Analysen, hat den Beschluss für den MWGFD genau unter die Lupe genommen und auch kritische Aspekte herausgearbeitet.

Aussendung des MWGFD veröffentlicht am 30.9.2024; Autorin: Cornelia Margot, Volljuristin

Eine Zusammenfassung der Beschlussvorlage des Verwaltungsgerichtes Osnabrück

Das Verwaltungsgericht Osnabrück (im Weiteren: VG) hat über die Klage einer Pflegehelferin zu entscheiden, gegen die aufgrund des § 20a IfSG (einrichtungsbezogene Nachweispflicht) ein Betretungs- und Tätigkeitsverbot verhängt worden war. Da sie nach Außerkrafttreten dieser Norm am 31.12.2022 noch Schadensersatzansprüche geltend machen möchte, verfolgt sie ihren ursprünglichen Anspruch, das Verbot aufzuheben, als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage weiter. Sie möchte festgestellt haben, dass das Verbot rechtswidrig war.

Das VG möchte der Klage stattgeben. Es ist der Auffassung, § 20a IfSG sei verfassungswidrig gewesen, so dass gar kein Verbot hätte ergehen dürfen. Es darf dies als Untergericht aber nicht selbst in einem Urteil feststellen. Deshalb hat es das Verfahren ausgesetzt und die Frage, ob § 20a IfSG verfassungswidrig war, dem Bundesverfassungsgericht (im Weiteren: B) mit Beschluss vom 3.9.2024 zur Entscheidung vorgelegt.

Ein solcher Vorlagebeschluss muss ausführlich begründet werden.
Das VG hat sich dabei hauptsächlich mit drei Fragen befasst.

  1. Da das B bereits mit Beschluss vom 27. April 2022 entschieden hatte, dass die Nachweispflicht verfassungsgemäß sei, lautet die erste Frage:
    Gibt es neue entscheidungserhebliche Tatsachen, die dem B damals nicht bekannt waren? Wenn nein, wäre die Vorlage unzulässig.
  2. Warum ist diese Frage der Verfassungswidrigkeit für den konkreten Rechtsstreit vor dem VG so wichtig?
  3. Warum hält das VG den damaligen § 20a IfSG für verfassungswidrig?

Zu Frage 1 – Neue Erkenntnisse

Das VG hat hierzu zwei Argumente vorgebracht.

a. Das B habe das RKI für unabhängig und weisungsungebunden gehalten. Dem B zufolge durfte sich der Gesetzgeber (also die Parlamentarier, die über die Einführung von § 20a IfSG abgestimmt hatten) auf die Einschätzungen des RKI auf wissenschaftlicher Basis verlassen.

Das VG führt dazu aus:
Aus den ungeschwärzten RKI-Protokollen ergibt sich nun, dass diese Überzeugung falsch war. Das RKI hat nicht unabhängig gehandelt. Vielmehr hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) eine „gesetzeswidrige Einmischung in die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI“ vorgenommen.

„Die oftmals grundrechtsrelevanten Entscheidungen, mit denen sich die Politik offenkundig eigenmächtig und ohne weitere wissenschaftliche Grundlage über die Empfehlungen des dazu berufenen Instituts hinweggesetzt bzw. diese durch Weisungen und Anmerkungen beeinflusst hat, entbehren einer unabhängigen und verlässlichen wissenschaftlichen Grundlage. Es handelt sich, wie der Zeuge“ (Anmerkung: Prof. Dr. Lars Schaade, RKI) „zutreffend konstatiert hat, um politische Entscheidungen.“

Dass eine derartige Einflussnahme stattgefunden hat, sei, so das VG, bislang auch nicht bekannt gewesen. Die gesetzliche Konzeption des RKI ergebe sich aus dem „Gesetz über Nachfolgeeinrichtungen des Bundesgesundheitsamtes“ vom 24. Juni 1994. Demnach sei das RKI eigentlich eine sachlich unabhängige Institution.

Der Gesetzgeber und auch das B hätten nicht gewusst, dass stattdessen eine „mit der gesetzlichen Konzeption des RKI nicht vereinbare tatsächliche Kompetenzverlagerung auf die Exekutive“ (also auf das BMG) stattgefunden hatte.

Anm.: Die weithin vertretene Auffassung „das hätte doch jeder wissen müssen, dass das RKI nicht unabhängig handelt“ teilt das VG also nicht.

b. Aus den RKI-Protokollen ergibt sich laut VG außerdem, dass die Impfstoffeffektivität, insbesondere der Fremdschutz, nicht so war, wie das B angenommen hatte.

Das VG belegt durch Textstellen der Protokolle ausführlich, wann welche Erkenntnisse zum Fremdschutz tatsächlich vorlagen und inwieweit diese Erkenntnisse von dem abwichen, was dem Gesetzgeber mitgeteilt worden war. Und was somit Grundlage sowohl der gesetzlichen Regelung des § 20a IfSG als auch der Entscheidung des B aus April 22 war. Es sei nach außen der Eindruck erweckt worden, dass die Impfungen einen wirksamen Fremdschutz darstellen. Das war aber ausweislich der Protokolle des RKI nicht Stand der Wissenschaft. Somit wussten das RKI und die Regierung (insbesondere das BMG), dass sowohl Gesetzgeber als auch B von falschen Voraussetzungen ausgingen – aber weder das RKI noch die Regierung hätten das nach außen kommuniziert und korrigiert.

Der Zeuge Schaade habe auch ausgesagt, dass man im Laufe des Jahres 2022 nicht überprüft hätte, ob sich die Anzahl der Infektionen in den Einrichtungen des Gesundheitswesens aufgrund der Nachweispflicht verringerten.

Dann führt das VG noch aus, dass sich der Fremdschutz mit Aufkommen der Variante Omikron noch weiter verringert hatte und dass deshalb irgendwann im Laufe des Jahres 2022, mindestens ab Oktober, die Annahme eines Fremdschutzes erst recht nicht mehr begründet war.

Zu Frage 2 – Entscheidungserheblichkeit für den Rechtsstreit

Dazu muss das VG darlegen, warum es den Rechtsstreit nicht unabhängig von dieser Frage entscheiden kann. Es könnte ja theoretisch sein, dass das VG meint, dass das Gesundheitsamt das Gesetz – so, wie es nun einmal war – ohnehin falsch angewendet hätte. Zum Beispiel sein Ermessen nicht ordentlich ausgeübt hätte. Dann könnte das VG der Klägerin recht geben. Auf die Frage, ob der

§ 20a IfSG überhaupt rechtmäßig war, käme es dann gar nicht an. Sie würde ihren Prozess ohnehin gewinnen.

Das ist aber nicht der Fall. Das VG schreibt hierzu, dass der Landkreis, konkret das Gesundheitsamt, welches die Verfassungsmäßigkeit schon mal gleich gar nicht in Frage stellen darf, die Norm korrekt angewendet hatte. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.

Somit müsste das VG die Klage eigentlich abweisen. Wenn da nicht die Zweifel des VG wären! Auf die Frage, ob die Nachweispflicht verfassungsgemäß war oder nicht, kommt es also an.

Zu Frage 3 – Verfassungswidrigkeit der Nachweispflicht

Das VG meint, dass § 20a im Laufe des Jahres 2022 in die Verfassungswidrigkeit „hineingewachsen“ sei.

Auch hierzu bezieht sich das VG wieder hauptsächlich auf den fehlenden Fremdschutz durch Impfung. Einem Fremdschutz, der – so das VG – im Laufe des Jahres 2022 immer geringer geworden war. Was sowohl das RKI als auch das BMG wussten, aber nicht nach außen kommunizierten.

Hätte der Fremdschutz aber bestanden und hätte er während des gesamten Jahres 2022 auch unter der Variante Omikron bestanden, dann würde das VG den § 20a für verfassungsgemäß halten. Nur der (zunehmend) fehlende Fremdschutz bewegt das VG dazu, daran zu zweifeln, dass die Grundrechtseingriffe zu Lasten der Mitarbeiter des Gesundheitswesens verfassungsgemäß waren.

Grundrechtseingriffe sind dann verfassungsgemäß, wenn sie einem legitimen Zweck dienen und wenn sie zur Erreichung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sind.

Das VG hält den Zweck „Schutz der vulnerablen Gruppen“ für einen „legitimen Zweck“. Zu den Aussagen des B aus dessen Beschluss vom April 22:

  • Die vulnerablen Gruppen waren gefährdet;
  • den Staat traf insofern eine Schutzpflicht;
  • die Lage war besorgniserregend und spitzte sich zu;
  • den insoweit vom RKI erhobenen Zahlen zur Krankheitsbelastung war zu vertrauen;

sagt das VG: „Dem schließt sich die Kammer überzeugt an.“

Allerdings – so das VG – war die Nachweispflicht kein geeignetes und auch kein erforderliches Mittel, um die vulnerablen Gruppen zu schützen.

„Die Annahmen des Gesetzgebers zur Eignung der Nachweispflicht waren nicht vertretbar, da sie nicht auf hinreichend tragfähigen Grundlagen beruhten.“

Und zur Begründung beruft sich das VG wieder auf die RKI-Protokolle.

Das VG sagt: Es stimmte, dass geimpfte Personen sich weniger oft infizieren.

Es stimmte aber nicht, so das VG weiter, dass Geimpfte, wenn sie sich denn infiziert hatten, weniger und nur für kürzere Zeit infektiös wären als ungeimpfte Infizierte. Spätestens nach Auftreten der Omikron-Variante hätte es keinen relevanten Unterschied mehr gegeben. Das hätten das RKI und das BMG gewusst – dieses Wissen aber nicht weitergegeben.

Deshalb sei die Maßnahme zur Erreichung des beabsichtigten Zweckes nicht geeignet gewesen.

Sie sei auch nicht erforderlich gewesen. „Erforderlich“ setzt voraus, dass es kein milderes Mittel gibt. Der gewünschte Schutzzweck hätte durch Testungen genauso gut erreicht werden können. Testungen seien ein „milderes Mittel“ als die Nachweispflicht.

Den Gesetzgeber traf während der Geltungsdauer der Nachweispflicht eine Normbeobachtungspflicht, die er laut VG nicht ordnungsgemäß wahrnehmen konnte, weil er von RKI und Regierung nicht umfassend und korrekt aufgeklärt worden war.

Hätte der Gesetzgeber, so das VG weiter, gewusst, dass insbesondere im Laufe des Jahres 2022 der Fremdschutz durch Impfung immer weiter absank, hätte er das Gesetz wieder ändern müssen. Massive Grundrechtseingriffe müssen vermieden werden, wenn oder sobald sie nicht mehr erforderlich und deshalb nicht mehr verfassungsgemäß sind. Und zwar auch dann, wenn das Gesetz ohnehin zeitlich befristet war.

„Während der Coronapandemie war es dem Gesetzgeber stets möglich, teilweise mit massiven Grundrechtseingriffen verbundene gesetzliche Maßnahmen sehr kurzfristig, teilweise binnen weniger Tage, zu beschließen.

Es ist nicht ersichtlich, weshalb dies nicht im umgekehrten Fall, in dem aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse festgestellt wurde, dass eine Impfung den beabsichtigten Fremdschutz nicht (mehr) bietet, genauso möglich gewesen wäre.“

Fazit:

Hätte alles das, was von RKI und BMG nach außen kommuniziert wurde, tatsächlich den unbeeinflussten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprochen, würde das VG die Nachweispflicht nicht für verfassungswidrig halten. Durch die RKI-Protokolle aber sei – so das VG sinngemäß – nach außen gedrungen, dass der Gesetzgeber, die Gerichte und die Öffentlichkeit falschen Informationen aufgesessen sind.

Das VG stellt nicht die Frage, ob die Gerichte nicht ihrerseits mehr Misstrauen an den Tag hätten legen müssen. Ob sie nicht den Zweifeln an der unbeeinflussten Expertise des RKI, die ihnen von Anwälten landauf, landab in zahlreichen Gerichtsverfahren nahegebracht wurden, hätten nachgehen müssen.

So gesehen stellt die Entscheidung des VG auch ein Reinwaschen all derjenigen dar, die nicht zum inneren Zirkel der Eingeweihten gehörten. Unter prozesstaktischen Gesichtspunkten mag das sinnvoll sein. Allerdings bleibt unklar, wer dem Kreis der Wissenden angehörte. RKI und BMG auf jeden Fall. Dann ist in dem Beschluss von „Regierung“ oder „Exekutive“ die Rede. Dazu wird man die Mitglieder der anderen Krisenstäbe – Bundeskanzleramt und Bundesinnenministerium z.B. – zählen müssen. Und was ist mit den Teilnehmern der Ministerpräsidentenkonferenzen? Den Mitgliedern von STIKO etc.? Diese Fragen waren für das VG nicht relevant und bleiben der weiteren Aufarbeitung vorbehalten.  

Unzählige Gerichtsentscheidungen zu „Corona-Fragen“ beruhten im Ergebnis auf der falschen Prämisse, das RKI habe als wissenschaftlich arbeitende Institution politisch unbeeinflusste Erkenntnisse verkündet bzw. verkünden lassen. Das VG hat in seinem Beschluss den Fremdschutz aufgegriffen, weil das in diesem Verfahren relevant war. Aber der übertrieben propagierte Fremdschutz war ja nicht die einzige Frage, die intern anders beantwortet wurde, als es nach außen kommuniziert wurde.

Will man wirklich die Bürger – jeden einzelnen, der wegen Maskengeboten, Impfverweigerung, Maskenbefreiungsattesten, Abstandsregeln, Lockdown-Regeln etc. verurteilt wurde – dazu nötigen, auf eigene Kosten aufwändige Wiederaufnahmeverfahren zu durchlaufen? Will man die gespaltene und traumatisierte Bevölkerung, die – oft vergebens – vor Gericht um ihr Recht hat kämpfen müssen, in erneute Gerichtsverfahren treiben? 

Wann zieht man endlich die richtigen Konsequenzen:

  • Amnestie für alle Verurteilten.
  • Kostenerstattung für alle diejenigen, deren Verfahren auf ihre Kosten eingestellt wurden.
  • Unbürokratische Schadensersatzregelungen für diejenigen, deren wirtschaftliche Existenz beschädigt oder sogar vernichtet wurde – verfolgte Ärzte, entlassenes Gesundheitspersonal, Soldaten, die sich der Duldungspflicht entzogen.
  • Und was ist mit denjenigen, die „nur“ genötigt, traumatisiert und in die Verzweiflung getrieben wurden?
  • Last but not least – Wie will man mit Impfgeschädigten umgehen?

Will man das alles weiterhin aussitzen und sich stattdessen gegenseitig Lorbeerkränze umhängen?

Ein Direktkontakt zur Autorin ist möglich über ihre offene Telegram-Gruppe t.me/imanfangwarcorona .

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