Nach der Identifizierung von mehreren Schauspielern und Politikern in der Anti-AfD-Sendung „Die 100“ in der ARD herrscht bei den Öffentlich-Rechtlichen Aufregung. Einer der Teilnehmer – einer von dreien, die sich gänzlich immun gegen die „Aufklärungsversuche“ der Moderatoren über die vermeintlich böse AfD gezeigt haben – hat sich inzwischen bei einem YouTuber gemeldet und aus dem Nähkästchen geplaudert. Für die ARD dürfte das nicht hilfreich sein: Der Teilnehmer kritisiert nämlich, dass man seine Äußerungen stark geschnitten habe – unter anderem zensierte man demnach seine Klarstellungen zu widerlegten Correctiv-Behauptungen.
Die Sendung „Die 100“, bei der die Frage geklärt werden sollte, ob die AfD eine Gefahr für die Demokratie ist, sorgt für Furore – aber wohl nicht so, wie ARD und NDR sich das erhofft hatten. Nachdem einzelne Teilnehmer von findigen Usern in den sozialen Netzen als Schauspieler oder gar Politiker linker Parteien enttarnt wurden, brach eine Welle der Entrüstung über die Öffentlich-Rechtlichen herein. Sämtlichen Vorwürfen einer Manipulation oder gar Täuschung der Öffentlichkeit wird hier aber vehement widersprochen.
Glaubwürdig erscheinen vielen die Beteuerungen der beiden Sender leider nicht: Allzu bekannt ist inzwischen, dass „zufällig vorbeikommende Passanten“ in ÖRR-Straßeninterviews sich immer wieder als Politiker der Kartellparteien herausstellen. Immer alles nur Zufall? Fragwürdig. Was wusste man, was steuerte man, was nahm man einfach in Kauf? In den Köpfen der Bürger hat sich inzwischen vielfach ein alles andere als vertrauenswürdiges Bild der ÖRR festgesetzt.
Nun hat sich ein Teilnehmer der umstrittenen Sendung zu Wort gemeldet. Linus, ein 23-jähriger Bio-Chemie-Student aus Büdelsdorf, fiel in der Sendung damit auf, dass er trotz aller Agitation weiter die AfD verteidigte: Als die Teilnehmer sich positionieren sollten, inwieweit die Partei eine Gefahr darstellt, war er einer von nur drei Personen, die sich bei „-3“ (gar keine Gefahr) sammelten.
Der YouTube-Kanal „Clownswelt“ hat ein 20-minütiges Video veröffentlicht, in dem Linus von der Sendung und den Dreharbeiten berichtet. Zwar ist unklar, ob nicht vielleicht doch Personen konkrete Instruktionen erhalten haben könnten, doch tatsächlich sollen die Teilnehmer zuvor das Thema der Sendung nicht gekannt haben: Man wolle offenbar nicht, dass diese sich vorbereiten können, so vermutet Linus. Er berichtet allerdings, dass er auf einem Anmeldeformular unter anderem angeben sollte, ob er die AfD als Fluch oder Segen empfinde (er entschied sich für letzteres).
Linus gab an, durchaus eine Lanze für die anderen Teilnehmer brechen zu wollen: So stramm auf Regierungslinie, wie man es nach der Sendung vermuten könnte, waren die Menschen dort demnach gar nicht. So soll ein Lehrer offen gesagt haben, dass er am nächsten Tag die Eltern vor der Tür stehen hätte, wenn er sich zu AfD-freundlich äußern würde. Noch andere könnten Sorge um ihre berufliche Zukunft gehabt haben, denn immerhin tauchte man dort unzensiert zur besten Sendezeit mit Klarnamen und einigen persönlichen Angaben auf.
Dass der vermeintliche „Bürokaufmann“ Michael als Kleindarsteller jobbt, wussten Linus zufolge alle am Set, denn der machte daraus überhaupt kein Geheimnis. Er soll erzählt haben, dass er häufig in entsprechenden Verteilern landen würde, weil er schon mehrfach in verschiedenen Sendungen aufgetreten war. Das nicht auch für Zuschauer transparent zu machen, entpuppte sich für den ÖRR freilich als folgenschwerer Fehler. Offenbar hat der Skandal in den sozialen Netzen ARD und NDR in die Bredouille gebracht – Linus zufolge würden die Sender selbst nun die Interviewanfragen für den Kleindarsteller managen. Michael selbst soll gegenüber anderen Teilnehmern angegeben haben, rein als Privatperson mitzuwirken. „Kann natürlich stimmen, kann natürlich nicht stimmen“, das wisse Linus nicht.
Aussagen stark geschnitten?
Brisant ist, dass Linus im Gespräch angibt, dass seine eigenen Aussagen massiv geschnitten worden seien: „Zwei Drittel wurden weggecuttet“, so sagte er. Dass Aufnahmen geschnitten werden, ist natürlich üblich – problematisch ist, dass die Wirkung von Wortmeldungen so geschmälert oder verändert werden kann. So habe man laut Linus nicht nur seine Einordnung fragwürdiger Politikeraussagen gekürzt und seinen Hinweis auf die Kontextabhängigkeit von Zitaten entfernt: Auch schnitt man seiner Aussage nach seine kritische Nachfrage heraus, wie rassistisch und ausgrenzend eine Partei eigentlich sein könne, wenn darin doch Menschen mit Migrationshintergrund und Homosexuelle aktiv seien (und die Partei auch von diesen Gruppen gewählt werde). Mehr noch berichtet er, dass er klar darauf hingewiesen habe, dass die Potsdam-Geschichte von Correctiv, die auch in der Sendung erneut gegen die AfD verwendet wurde, widerlegt worden ist. In der fertigen Sendung war davon kein Wort zu hören.
Laut „Nius“ soll sich inzwischen auch ein weiterer Teilnehmer (jener mit der Nummer 80) beschwert haben: Der hatte sich beklagt, dass man nach dem Abgeben seiner Wahlstimme keinen Einfluss mehr auf das Handeln von Politikern habe. Sobald jemand im Amt sei, müsse man ihn vier Jahre aushalten. Daraufhin habe der Moderator ihm entgegnet, dass er „offensichtlich ein grundlegendes Problem mit der Demokratie“ habe – und ihn stehen lassen. Der Wortwechsel wurde herausgeschnitten.
Der Sender erörterte gegenüber dem Medium: „Die Sendelänge im linearen Fernsehen ist vorgegeben. Die Diskussion vor Ort war länger. Daher mussten die Aussagen mehrerer Teilnehmer herausgenommen werden. Davon betroffen waren sowohl AfD-kritische Positionen als auch AfD-befürwortende Positionen.“
Am Ende entscheiden so freilich die Cutter, welches Bild bei den Zuschauern geweckt wird. Das Debakel um die Sendung offenbart den massiven Vertrauensverlust der Bürger in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Während tendenziöse Berichterstattungen längst allgegenwärtig sind und jeder mündige Bürger gefragt ist, Quellen zu prüfen und jede Information kritisch zu hinterfragen, besteht die Problematik bei ARD und Co. schlichtweg darin, dass diese durch Zwangsgebühren finanziert werden. Dass jeder Mangel an Transparenz und jeder Verdacht auf Manipulation und Täuschung hier zu massiver Kritik unter den Beitragszahlern führt, liegt in der Natur der Sache. Wer die eigenen (unfreiwilligen) Sponsoren nicht verärgern will, muss absolut objektiv und transparent berichten und jeden Eingriff in die freie politische Meinungsbildung unterlassen.