Mit zweimonatigen Festsetzungen für sogenannte „Rettungsschiffe“ reagiert die italienische Regierung auf die anhaltende Anlandung von im Mittelmeer aufgegriffenen illegalen Migranten. Damit will die politische Führung des südeuropäischen Landes die zentrale Mittelmeerroute unattraktiver machen. Weniger solcher Schiffe in den Gewässern vor Nordafrika bedeutet auch weniger illegale Migranten, die in Italien abgeliefert werden.
Die italienische Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hat ihre harte Linie gegen die illegale Migration über das Mittelmeer weiter verschärft. Wieder einmal wurde ein sogenanntes Rettungsschiff (Kritiker würden es eher als „Schlepperschiff“ bezeichnen) festgesetzt. Die „Geo Barents“, betrieben von der internationalen Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), wurde laut Berichten diese Woche im Hafen von Salerno festgehalten, nachdem sie 191 Migranten aus dem Meer gefischt und nach Italien gebracht hatte.
Die am Montagabend erlassene 60-tägige Festsetzungsanordnung ist eine der härtesten Maßnahmen in der 18-monatigen Kampagne gegen sogenannte „humanitäre“ Organisationen, die im Mittelmeer operieren. Die italienischen Behörden werfen der „Geo Barents“ vor, bei einer nächtlichen Rettungsaktion am vergangenen Freitag Menschenleben gefährdet und nicht rechtzeitig Informationen geliefert zu haben. Die Crew hatte eingegriffen, um illegale Migranten von einem kleinen Glasfaserboot zu retten, dem sich ein Schiff der libyschen Küstenwache näherte. Andererseits gibt es auch Vorwürfe (siehe Tweets weiter unten), wonach diese Schiffe nichts weiter tun, als die illegalen Migranten einfach direkt in Nordafrika aufzusammeln und über das Meer zu bringen.
MSF weist die Anschuldigungen der Behörden zurück und erklärt, die Besatzung habe „keine Wahl“ gehabt, als die Rettung durchzuführen, nachdem sie beobachtet habe, wie zahlreiche Menschen über Bord fielen oder gestoßen worden seien. Die Hilfsorganisation bezeichnet die Entscheidung der italienischen Regierung als „willkürlich und unmenschlich“. Die Festsetzung steht jedoch im Einklang mit Melonis Versprechen, die irreguläre Migration einzudämmen – ein zentrales Anliegen ihrer Regierung. Diese Politik hat zu einem deutlichen Rückgang der Migrantenankünfte geführt: In diesem Jahr waren es bisher etwas über 39.500, verglichen mit 112.500 im gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Hilfsorganisationen wie MSF, Oxfam Italia und SOS Humanity verurteilen die Maßnahmen als „systematische Behinderung ziviler Such- und Rettungsaktivitäten“. Sie argumentieren, dass diese Politik nun Menschenleben kostet. Vor über einem Jahr reichten die Organisationen formelle Beschwerden bei der Europäischen Kommission ein und stellten in Frage, ob Italiens Vorschriften mit EU- und internationalem Recht vereinbar sind. Brüssel prüft die Angelegenheit noch. Juan Matias Gil, Leiter der Mittelmeer-Such- und Rettungsoperationen von MSF, kritisiert: „Sie verkaufen dies der öffentlichen Meinung als Erfolg, aber der Preis sind Tod und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen.“
Auch Papst Franziskus hat die Maßnahmen scharf verurteilt. In seiner wöchentlichen Audienz am Mittwoch bezeichnete er die Verweigerung von Hilfe für Migranten, die das Mittelmeer überqueren, als „schwere Sünde“. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) weist darauf hin, dass zwar die irregulären Ankünfte in Italien zurückgegangen sind, die Zahl der Schiffsunglücke und Ertrinkenden jedoch nicht entsprechend abgenommen hat. Die IOM schätzt, dass in diesem Jahr mindestens 1.027 Migranten im zentralen Mittelmeer ums Leben gekommen oder vermisst worden sind, was die Überfahrt gefährlicher denn je macht. Darüber hinaus wurden laut IOM 13.763 auf See abgefangene Migranten nach Libyen zurückgebracht, wo sie oft Inhaftierung und Misshandlung ausgesetzt seien.
Kurz nach Melonis Amtsantritt Ende 2022 führte ihre Regierung strenge neue Regeln ein, um die Möglichkeiten humanitärer Gruppen zur Rettung von Migranten einzuschränken. Dazu gehören Warnungen, dass Schiffe, die sich nicht an die Protokolle halten, festgesetzt werden – eine Drohung, die wiederholt umgesetzt wurde. Zehn Such- und Rettungsboote wurden von den italienischen Behörden festgehalten, einige davon mehrfach, was allein in diesem Jahr zu einem kumulativen Verlust von 480 Tagen auf See für Rettungsoperationen geführt hat, so SOS Humanity. Die Festsetzung der „Geo Barents“ ist bereits die dritte für dieses Schiff. MSF hat angekündigt, die „unrechtmäßige Festsetzung“ vor Gericht anzufechten. Allerdings werden solche Fälle oft erst lange nach der Freilassung der Boote verhandelt, was den Rechtsprozess faktisch untergräbt.
Trotz des zunehmenden Drucks setzen andere solcher Schiffe, wie die von dem Künstler Banksy finanzierte „MV Louise Michel“, ihre höchst zweifelhaften Operationen fort. Nach einer 20-tägigen Festsetzung berichtete die Besatzung der „Louise Michel“, dass sie allein in dieser Woche 229 Menschen von sieben „in Seenot geratenen Booten“ im Mittelmeer aufgegriffen hat. Und natürlich werden diese Menschen direkt den langen weiten Weg nach Italien gebracht und nicht wieder die kurze Strecke zurück auf den afrikanischen Kontinent.