Wegen der Wahlabsprachen zwischen dem Linksbündnis und Macrons Liberalen konnte sich der Rassemblement National trotz eines höheren Stimmenanteils als im ersten Wahlgang bei der zweiten Wahlrunde nicht durchsetzen. Le Pens Partei wurde wieder einmal um den Sieg betrogen.
Erzielte der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen im ersten Wahlgang noch 29,2 Prozent der Stimmen, waren es im zweiten Wahlgang mit den Stichwahlen 32,1 Prozent. Das Linksbündnis rutschte von 28,0 auf 25,7 Prozent ab, und Macrons liberales Bündnis Ensemble steigerte sich von 20,0 auf 23,1 Prozent. Dennoch gab es für den RN in der zweiten Wahlrunde wegen der gezielten Rücknahme von Kandidaturen der Drittplatzierten nur mehr 88 Sitze hinzu (37 im ersten Wahlgang), während das Linksbündnis 146 (32) und Macrons Ensemble 148 (2) Abgeordnete gewählt bekamen.
Damit konnte die Vereinigte Linke mit 178 Sitzen stärkste Partei werden, gefolgt von Macrons Liberalen mit 150 Sitzen und dem RN mit nur 125 Sitzen. Für die konservativen Republikaner (LR) gab es insgesamt 39 Sitze, für die im Verbund mit dem RN kandidierenden LR-Dissidenten gab es immerhin noch 17 Sitze. Der Rest teilt sich auf verschiedene kleinere Parteien und auf unabhängige Kandidaten auf.
Nimmt man die LR-Dissidenten hinzu, haben sich rund 37 Prozent der Wähler im zweiten Wahlgang für den RN entschieden – doch mit zusammen 142 Abgeordneten haben sie weniger Sitze erhalten als Macrons Liberale, welche nicht einmal ein Viertel der Stimmen auf sich vereinen konnten. Und das alles wegen der Wahlabsprachen zwischen den beiden anderen Lagern, die jedoch nicht miteinander koalieren wollen und zusammen nicht einmal die Hälfte der Wähler für sich begeistern konnten, dafür aber zusammen eine parlamentarische Mehrheit haben. Der RN und die LR-Dissidenten zusammen müssen sich dafür mit gerade einmal einem Viertel der Sitze begnügen.
Das Ergebnis ist eine Nationalversammlung ohne klare Mehrheiten und mit drei großen, untereinander nicht kompatiblen Fraktionen. Zwar sähe es auch mit einem klassischen Verhältniswahlrecht nicht viel besser aus, was die Koalitionsmöglichkeiten anbelangt – doch das französische Mehrheitswahlrecht sollte eigentlich die größeren Parteien bevorzugen, sodass sich trotz einer zersplitterten Parteienlandschaft trotzdem Regierungsmehrheiten ausgehen. Nun gibt es jedoch ein politisches Patt – und Macron kann nun wohl mit Exekutiv-Verordnungen durchregieren. Das ist möglich, weil der RN mithilfe der Wahlabsprachen um den Sieg betrogen wurde.