Sie glauben, Ihr Geld ist auf der Bank sicher? EU-Finanzdiktat gegen Zypern bewies das Gegenteil

Bild: freepik / creativaimages

EU-Mini-Mitgliedsland Zypern, Insel im östlichen Mittelmeer mit nicht einmal 900.000 Einwohnern, wird im Frühjahr 2013 Austragungsort des bislang größten Enteignungs-Dramas seit Bestehen der Europäischen Union. Dabei wurde insbesondere der „kleine Mann“ geschröpft, während die Eliten ihr Kapital in Sicherheit brachten. Eine Chronologie der Schande und eine Warnung für die Gegenwart und Zukunft!

Von Guido Grandt (gugramediaverlag)

Seit 1974 ist Zypern geteilt: In einen griechischen Südteil und einen türkischen Nordteil. 1983 wurde die von der internationalen Staatengemeinschaft nicht anerkannte Türkische Republik Nordzypern ausgerufen. Die Republik Zypern, die den Südteil der Insel umfasst, trat am 1. Mai 2004 der EU bei. Schließlich wurde zum 1. Januar 2008 die Währung des Zypern-Pfundes abgeschafft und der Euro eingeführt. Und damit begann die Katastrophe. Erst schleichend und dann immer schneller.

Zypern am Abgrund

Im Juni 2012 stuft die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit Zyperns auf „BB+“ herab; also auf „Ramsch-Niveau“. Auch der Ausblick für die Kreditwürdigkeit des Landes wird auf „negativ“ gesetzt. Schuld daran sind wieder einmal die Banken, denn sie müssen rund vier Milliarden Euro wegen der Schuldenkrise in Griechenland abschreiben, mit denen sie eng verbunden sind. Und nicht nur sie: Die gesamte Wirtschaft ist mit der der Hellenen verflochten, auch wenn sie nur eine Leistung von 17,5 Milliarden Euro beträgt. Damit ist sie eine der kleinsten Volkswirtschaften der Euro-Zone. Hinzu kommt, dass die einstige „Steueroase“ für internationale Unternehmen und Großinvestoren nach ihrem Aufblühen immer weiter schrumpfte. Trotz regen Tourismus wächst auf der Sonneninsel die Arbeitslosigkeit – und das auf Rekord-Niveau. Auch der Beamtenapparat ist aufgebläht. So existieren auf Zypern „sehr ernste makroökonomische Ungleichgewichte“, wie es in einem Bericht der Europäischen Kommission heißt.

Hilferuf an die EU und Russland

Im Juni 2012 sieht die Regierung in Nikosia keinen anderen Ausweg, als bei der EU einen Antrag auf Finanzhilfen in Höhe von 17,5 Milliarden Euro zu stellen. Dies entspricht etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung des drittkleinsten Mitgliedslandes. Und das, obwohl vor der zyprischen Südküste große Erdgasfelder im Mittelmeer gefunden worden sind. Allerdings blockiert die Türkei deren Milliarden-Ausbeutung, bevor der Streit um die Teilung der Insel nicht endgültig geklärt ist. Damit ist Zypern nach Griechenland, Portugal, Irland und Spanien das fünfte Mitgliedsland, das Hilfe braucht. Das Rettungspaket wird jedoch auf 10 Milliarden Euro heruntergeschraubt.

Schlechte Aussichten also für Zypern, das am 1. Juli 2012 auch noch die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat und Aktien der angeschlagenen Cyprus Popular Bank im Wert von 1,8 Milliarden Euro aufkaufte, um sie vor dem Bankrott zu retten.

Die „Pleite-Insel“ soll nun unter ihrem Vorsitz die EU mit ihren rund 500 Millionen Bürgern aus der schwersten Krise ihres Bestehens führen und für Wachstum und mehr Arbeitsplätze sorgen? Wie soll das gehen, ist man versucht zu fragen. Vielleicht mit Hilfe Russlands? Denn Moskau hatte bereits Ende 2011 einen 2,5 Milliarden Euro Kredit an Nikosia vergeben. Im Juli 2012 wird über einen weiteren in Höhe von 5 Milliarden Euro verhandelt.

Doch selbstlos sind die Russen nicht, schließlich legen vermögende Landsleute, anders ausgedrückt, Oligarchen, ihr Geld bei zyprischen Banken an, die dort nicht versteuert werden. Zudem investieren viele russische Unternehmen in die Mittelmeerinsel – ebenfalls zu einem sehr niedrigen Steuersatz und dazu noch bei lascher Finanzaufsicht. Auch das vor der Küste gefundene Erdgas lockt russische Firmen wie Gazprom an. Gute Gründe also, den Zyprioten unter die Arme zu greifen. Obendrein ist Staatspräsident Dimitris Christofias mit seiner „eurokommunistischen Fortschrittspartei des werktätigen Volkes (AKEL)“ der einzige kommunistische Regierungschef eines EU-Landes.

Im November 2012 gelangt ein geheimer BND-Bericht an die Presse. In ihm berichtet der deutsche Auslandsgeheimdienst, dass mit den zu erwartenden Hilfsmaßnahmen der EU insbesondere Inhaber russischer Schwarzgeldkonten auf zyprischen Banken profitieren würden. Zwar würde Nikosia sich an alle Vereinbarungen zur Bekämpfung der Geldwäsche halten, aber die Umsetzung wäre mangelhaft.

Zypern vor der Staatspleite

Zypern wächst bis Ende 2012 zu einem neuen Gefahrenherd innerhalb der EU heran. Es ist praktisch zahlungsunfähig. Die übrigen Mitgliedsstaaten sind vorsichtig, fordern auch und gerade in Hinsicht von Geldwäsche von der zyprischen Regierung nicht nur volle Transparenz, sondern ebenso volle Kooperation in Steuerfragen. Dazu eine Verknappung des aufgeblähten und maroden Bankensektors. Erstmals wird die Frage gestellt, wer die Gläubiger eigentlich sind und vor allem, wie diese an den Kosten der Sanierung des Bankensystems einbezogen werden können.

Der IWF fordert einen Schuldenerlass, bevor er sich an einem Hilfspaket beteiligt. Die Troika aus EU, EZB und IWF verlangen rigide Reformen: Privatisierung von Staatsbetrieben, größere Kontrolle über die Geldgeschäfte der Banken und Steuererhöhungen. Letzteres würde vor allem wieder den kleinen Mann treffen.

Bei einem Kurzbesuch Angela Merkels Anfang des Jahres fordert sie die zyprische Regierung zu Reformen auf. So solle sich Nikosia gegen Geldwäsche engagieren.

Zu all diesen Problemen für die Insel kommt hinzu, dass die Ratingagentur Moody’s im Januar 2013 die Kreditwürdigkeit Zyperns um gleich drei Noten auf „Caa3“ senkt. Auch der Ausblick bleibt weiterhin „negativ“. Die Staatsschulden würden noch in diesem Jahr auf 150 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Die Staatspleite oder ein erzwungener Teil-Schuldenschnitt würde vor der Tür stehen.

Aussichten also, die keinen Anleger entzücken, sondern im Gegenteil, ihn zum schleunigen Reißaus bewegen.

EU beschließt erstmals „Sparerenteignung“

Im Februar 2013 wird der linke Staatspräsident Dimitris Christofias von dem Konservativen Nikos Anastasiades abgelöst. Er übernimmt damit einen wahren „Höllenjob“. Denn alles kommt viel schlimmer.

Zunächst jedoch gibt es Hoffnung. EU-Politiker, wie beispielsweise Währungskommissar Olli Rehn oder der ehemalige Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker, verkünden plötzlich lauthals, dass das kleine Zypern, mit einer Wirtschaftsleistung von gerade mal 0,2 Prozent der Euro-Zone (!), „systemrelevant“ sei. Um die Finanzstabilität der Insel und der Euro-Zone zu gewährleisten, müsse es unter allen Umständen gerettet werden.

Um das Hilfspaket von 10 Milliarden Euro für Zypern schnüren zu können (für die Rettungskredite muss das Land 2,5 Prozent Zinsen zahlen – die Tilgung soll 2023 beginnen und über 12 Jahre laufen) kommen im März 2013 die Finanzminister der EU nach langer und zäher Verhandlung zu dem Schluss, dass erstmals Bankkunden auf einen Teil ihrer Einlagen verzichten sollen, um den maroden Finanzsektor zu stützen.

Das ist ein bisher einmaliger Schritt, der nichts anderes als eine Enteignung darstellt. Konkret: Wer mehr als 100.000 Euro Bankguthaben aufweist, soll eine Abgabe von 9,9 Prozent leisten. Darunter sollen es 6,75 Prozent sein. So will Nikosia rund 5,8 Milliarden Euro von den Sparern enteignen, geradezu „ergaunern“. Wohlgemerkt insbesondere auch von den Kleinanlegern, um die größeren Investoren nicht mit erhöhten Einbußen heranzuziehen und womöglich dauerhaft zu verschrecken, wie der ehemalige Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker später zugibt.

Bevor die zyprische Regierung ihrem Volk jedoch diese Hiobsbotschaft verkündet, handelt sie mit Sofortmaßnahmen: Die Banken bleiben geschlossen, das Onlinebanking-System wird lahmgelegt, so dass elektronische Finanztransfers nicht mehr getätigt werden können, die Abhebung an Geldautomaten wird begrenzt beziehungsweise zunächst eingefroren.

Thomas Schmoll schreibt im Stern: „Angela Merkel und die Euroretter feiern sich für ihr Zypern-Paket. Dabei ist die Zwangsabgabe nicht nur ein Tabubruch, sondern eine Frechheit. Sie ruiniert das Vertrauen der Bankkunden“. Und weiter: „Ja, es ist eine Enteignung (…) Die Eurofinanzminister verkaufen es als einmaligen Solidaritätszuschlag. In Wahrheit ist es eine Zwangsabgabe zum Erhalt einer Währungsgemeinschaft, die Europa zusammenführen sollte und nun immer mehr spaltet“.

Damit trifft Schmoll den Nagel auf den Kopf. Denn während viele Reiche und Superreiche ihr Geld schon längst und noch rechtzeitig ins Ausland gescheffelt haben, wird der einfache Mann und die einfache Frau in Zypern für Politikversäumnisse und ein aufgeblähtes ruinöses Bankensystem zur Kasse gebeten. „Europa hat (…) eine Einlagengarantie für Guthaben bis zu 100.000 Euro vereinbart. Das heißt: Erspartes bis zu diesem Betrag ist staatlich geschützt“, schreibt Schmoll weiter. „Für die Sparer in Zypern gilt das nicht mehr. Was ist die Garantie überhaupt noch wert, wenn ein Staat über Nacht beschließt, seine Bürger um ihr Geld zu bringen? Da klingt es wie Hohn, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Enteignung als notwendige Entscheidung lobpreist, die das Vertrauen in die Eurozone stärke“. Und weiter sagt Schäuble: „Zypern wird einen schweren Weg gehen – so oder so (…) das ist nicht die Folge europäischer Sturheit, sondern eines Geschäftsmodells, das nicht mehr funktioniert“. Damit wird Europa auch für Anleger immer unattraktiver, die zukünftig um ihr Geld bangen müssen.

Wütende Proteste gegen Merkel und Co.

Aufgebrachte Menschen demonstrieren in der Hauptstadt Nikosia gegen die Rettungspläne und gegen – ihrer Meinung nach – eine der Verantwortlichen: Bundeskanzlerin Angela Merkel. So steht beispielsweise auf einem Demo-Plakat: „Hitler und Merkel – derselbe Mist“ oder: „Troika go home“.

Bundesfinanzminister Schäuble warnt das zyprische Parlament vor einer Ablehnung des Rettungspakets. Denn dann seien die nationalen Banken nicht mehr zahlungsfähig und Zypern würde in eine sehr schwierige Lage kommen.

Allerdings nennt es der deutsche Ökonom Thorsten Polleit bedenklich, dass die Zypern-Hilfe nicht der nationale Souverän, sondern ein „internationaler Regierungsverbund“ getroffen hätte. Dieser hätte nicht die Interessen der „national Betroffenen“ im Auge.

„Kapitalraub“ bis zu 60 Prozent

Wohl aus diesen Überlegungen heraus sowie die Ablehnung dieses Planes im nationalen Parlament, einigen sich Ende März 2013 die zyprische Regierung und die EU-Finanzminister auf einen etwas abgeänderten Rettungsplan, um das Land vor dem Staatsbankrott zu bewahren. Denn auch die Russen wollen keine weiteren Kredite mehr vergeben.

So soll der Finanzsektor, der achtmal größer als die Wirtschaftsleistung ist, bis 2018 halbiert werden. Außerdem soll die zweitgrößte Bank des Landes, die Laiki (Popular) Bank zerschlagen werden. Ihre Einlagen, die rund 4,2 Milliarden Euro betragen, werden eingefroren und in eine „Bad Bank“ übertragen, die zudem noch ihre 9 Milliarden Euro EZB-Schulden übernimmt. Ob diese Einlagen vollständig vernichtet sind, ist scheinbar noch nicht abzusehen. Geldeinlagen von über 100.000 Euro sollen jedoch vorerst nicht ausgezahlt werden. In einem etwa sieben Jahre dauernden Verfahren soll ein Insolvenzverwalter durch den Verkauf von Immobilien und die Eintreibung fauler Kredite der Bad Bank einen Teil des Geldverlustes wiedererlangen und an die Anleger zurückbezahlen. Wers glaubt wird selig, ist man da versucht zu sagen.

Konten mit Beträgen bis zu 100.000 Euro, die gesetzlich von der Einlagensicherung geschützt sind, sollen auf die größte Bank, die Bank of Cyprus, übergehen. Diese soll verkleinert werden.

Zu allem Übel werden reiche Bankkunden, Kontoinhaber, Aktionäre und Anleihegläubiger jedoch stärker geschröpft, als zunächst bekannt: Bei mehr als 100.000 Euro Bankeinlagen droht nun ein „Kapitalraub“ von bis zu 60 Prozent!

Konkret: 37,5 Prozent Zwangsabgabe und weitere 22,5 Prozent werden „zur Seite gelegt“, falls die Bank of Cyprus noch weitere Rettungsgelder benötigt. Dafür sollen die Sparer Aktien der Bank bekommen. Humanitäre (Hilfs-)Organisationen und Privatschulen werden um 27,5 Prozent ihrer Geldeinlagen über 100.000 Euro verlieren.

Die Zwangsabgabe bei den anderen zyprischen Finanzinstituten soll bei über 100.000 Euro bei vier Prozent liegen. Zudem werden sofort Kapitalverkehrskontrollen verhängt, die größere Überweisungen für zunächst sechs Monate blockieren, um zu verhindern, dass Anleger ihr Geld massenhaft abziehen.

„Einmalige Korrektur des Bankensystems“

Zyperns Finanzminister Michalis Sarris, der nach nur vier Wochen Amtszeit seinen Hut nehmen wird, spricht davon, dass zwar keine Schlacht gewonnen sei, dafür aber „wirklich einen katastrophalen Austritt aus der Eurozone vermieden“ zu haben. Arbeitsminister Harris Georgiades faselt etwas von einem „einmaligen Akt der Korrektur des Bankensystems“.

Der russische Premierminister Dmitrij Medwedew hingegen bezeichnet diese Beschlüsse als eine „Plünderung“ und vergleicht sie sogar mit der Enteignung jüdischer Vermögen durch die Nazis. Im Gegenzug bietet die zypriotische Regierung russischen (und anderen) Unternehmern, die wegen der Zwangsabgabe mehr als drei Millionen Euro verloren haben, eine „Entschädigung“ an: Die Staatsbürgerschaft der Inselrepublik!

Während der ganzen Aufregung kursieren im April 2013 Gerüchte, dass auch auf die sicher geglaubten Bankguthaben der Genossenschaftsbanken eine Zwangsabgabe erhoben werden soll. Schnell dementiert das Finanzministerium diese Spekulationen und spricht stattdessen – welch Hohn angesichts der großflächigen Enteignung – davon, dass dank der vereinbarten Maßnahmen das zyprische Bankensystem „auf dem Weg der Stabilisierung und Gesundung“ sei. Ferner fordert das Ministerium die Öffentlichkeit auf, „haltlosen Gerüchten, die nur den Zweck haben, dem Bankensystem in Zypern zu schaden, keinen Glauben zu schenken“.

Doch viele der bislang angelogenen Bürger vertrauen ihren Politikern nicht mehr. Aufgrund dessen, dass die Banken fast zwei Wochen geschlossen blieben, bricht der Konsum um 70 Prozent ein. Unternehmen können keine Gehälter mehr bezahlen, Suppenküchen werden eröffnet, Geschäfte und Restaurants sind verwaist. Apotheken akzeptieren den Medikamentenkauf nur noch gegen Barzahlung.

Banken unter Polizeischutz

Bevor die Banken wieder eröffnen, wird ein Bank-Run befürchtet. So werden die Geldinstitute kurzerhand unter Polizeischutz gestellt. Fünf Milliarden Euro Bargeld werden für die Wiedereröffnung aus Reserven der EZB auf die „Pleite-Insel“ eingeflogen und dort an die Bankfilialen verteilt.

Doch letztlich kommt es nicht zu einem Bank-Run. Vielleicht auch aus Respekt vor den Sicherheitskräften oder weil nur begrenzt Geld abgehoben werden kann – jeder lediglich 300 Euro. Daueraufträge für Lohnzahlungen sind wieder erlaubt. Allerdings werden Auslandsüberweisungen und Kreditkartenzahlungen auf 5000 Euro pro Person und Bank beschränkt. Diese Einschränkungen sind nach Auskunft der EU-Kommission durchaus rechtens und durch den EU-Vertrag gedeckt. Mitgliedsstaaten dürften den freien Kapitalverkehr beschränken, wenn dies zur Sicherheit oder aus Gründen der öffentlichen Ordnung notwendig sei. Ebenso aus Gründen des öffentlichen Interesses.

So einfach geht das also – Staatssanktionen, die dann auch noch zulässig sind. Ein Hoch auf die Maastrichter Verträge!

Eliten „retten“ ihr Geld

In diesen dramatischen Tagen auf Zypern, die den Europäern zeigen, welches Finanzdiktat samt Kapitalenteignung die EU ausüben kann, wird bekannt, dass hohe Beamte in der zyprischen Zentralbank und Politik, die von der bevorstehenden Schließung der Banken und ihrer Sparerenteignung wussten, vorher noch „Unmengen“ Geld ins Ausland geschafft haben.

132 Unternehmen und Einzelpersonen sollen insgesamt bis zu 700 Millionen Euro vor Schließung der Finanzinstitute von ihren Konten abgehoben haben, weil sie wohl Insider-Informationen über die zu erwartenden Beschlüsse der Euro-Zone hatten. Darunter neben Politikern auch Reedereien, Energiefirmen, juristische Kanzleien und staatliche Unternehmen.

Brisant: Eine der aufgeführten Firmen gehört mit einem Schwiegersohn des zyprischen Staatspräsidenten Nikos Anastasiades. Diese soll noch vorher Einlagen in Höhe von 21 Millionen Euro von der Laiki Bank abgehoben und teilweise nach London überwiesen haben. Der Präsident spricht von Diffamierung und wehrt sich dagegen, Informationen weitergegeben und seine Verwandten gewarnt zu haben.

Die konservative Zeitung Fileleftheros kommentiert in jenen Tagen: „Während gewöhnliche Zyprer an Suppenküchen Schlange stehen und ihren Stolz überwinden, weil sie keine andere Wahl haben als Bettler zu werden, muss jeder, insbesondere die politische Führung des Landes, beweisen, dass er über jeden Zweifel erhaben ist“.

Hinzu kommt, dass zyprische Medien auch noch eine pikante Liste veröffentlichen, die Namen von Politikern enthält, die Kredite in Millionenhöhe bekamen und diese nie zurückzahlen mussten. Auf gut Deutsch: Die beiden größten Banken, die Laiki-Bank und die Bank of Cyprus haben Politikern zwischen 2007 und 2012 Millionenkredite erlassen! Oder diese mussten sie nur zum Teil begleichen. Davon sollen Mitglieder sämtlicher zyprischer Parteien betroffen sein, außer der sozialdemokratischen EDEK und der sozial-ökologischen KKO. „So soll einer Gewerkschaft 193.000 Euro erlassen worden sein, von einem Abgeordneten der Regierungspartei DISY wurden 101.000 Euro eines Darlehens über 168.000 Euro nicht zurückgefordert“, zählt die Zeit einige Beispiele auf. „Einer Firma, die dem Bruder eines früheren Ministers der Mitte-Rechts-Partei DIKO gehört, sollen demnach 1,28 Millionen von insgesamt 1,59 Millionen geliehenen Euro erlassen worden sein“.

Ein Hotelunternehmen, das Verbindungen zur Zypriotischen Kommunistischen Partei (AKEL) sowie zu Gewerkschaften hat, soll die Bank of Cyprus im Mai 2012 einen Kredit von 2,8 Millionen Euro komplett erlassen haben.

Mit am meisten von diesen „gelöschten Krediten“ profitiert hat der ehemalige Staatspräsident George Vassiliou. Über eine von ihm beherrschte Firma soll er 5,8 Millionen Euro geschenkt bekommen haben. Denn der Kredit wurde im Frühjahr 2013 einfach gestrichen.

Noch einmal: Diese Banken also, die nun durch Zwangsabgaben, Kapitalkontrollen und wirtschaftlichen Einschneidungen durch das Volk gerettet werden müssen, haben Politikern Gefälligkeiten in Millionenhöhe erwiesen. Ein Skandal erster Güte!

Parlamentspräsident Ginnakis Omirou kündigt eine Untersuchung an, ebenso die Staatsanwaltschaft. Das alles hört sich ziemlich hilflos an. Genauso wie die Rettungspläne Präsident Nikos Anastasiades‘. Um an frisches Geld zu kommen, bekundet er die Eröffnung eines Casinos. Zudem sollen Steuern auf Gewinne von Betrieben entfallen, die wieder auf der Insel investieren. Kreditzinssätze sollen erleichtert und Mieten reduziert werden. Zum Schutz der zyprischen Arbeitnehmer soll mit den Arbeitgebern eine informelle Beschäftigungsklausel vereinbart werden. So sollen 70 Prozent zyprische Bürger und höchstens 30 Prozent Ausländer beschäftigt werden. Dies würde vor allem die zirka 100.000 Nicht-EU-Ausländer aus Indien, Sri Lanka und den Philippinen treffen, die im Baugewerbe oder als Kindermädchen und Hausdiener auf Zypern arbeiten.

Alle bisherigen Maßnahmen gegen den Staatsbankrott reichen nicht aus

Nun stellt sich heraus, dass Zypern weitaus mehr Geld benötigt, um den Staatsbankrott abzuwenden, als angenommen: nämlich 23 Milliarden Euro!

Aus dem ESM-Rettungsschirm werden neun Milliarden locker gemacht, der IWF legt noch eine Milliarde drauf, doch die restlichen 13 Milliarden müssen die Zyprioten selbst stemmen. Eine eigentlich unlösbare Aufgabe.

Die guten Vorsätze der Regierung kommen ins Wanken. Jetzt sollen höhere Unternehmenssteuern und eine Abgabe von Kapitalgewinnen über drei Jahre hinweg 600 Millionen Euro einbringen. Durch den Verkauf von Goldbeständen sollen weitere 400 Millionen dazu kommen. Und durch die Abwicklung der Laiki-Bank sowie der Einbeziehung von Einlagen bei der Bank of Cyprus sollen 10,6 Milliarden Euro dazugegeben werden.

Todesdrohungen gegen Staatspräsidenten

Anfang April 2014 werden Drohungen an Staatspräsident Anastasiades und Zentralbankchef Demetriades bekannt: „Wir warnen Euch und bluffen nicht“, heißt es in einem Schreiben von einer Gruppe zur Rettung der Bankguthaben, das an eine Zeitung gegeben wurde. „Wir fangen bei Euren Enkeln an, dann sind Eure Kinder dran und am Ende ihr selbst, damit ihr so leidet wie wir“. Unterzeichnet ist der Drohbrief mit „Geschworen bis in den Tod“.

Im selben Monat berichtet das staatliche Fernsehen, dass wichtige Beweise über die schwer angeschlagene Bank of Cyprus vernichtet worden sein sollen. Niemand werde seiner Verantwortung entgehen. Wer sich in der Bankenkrise strafbar gemacht oder Beweismaterial unterschlagen hätte, müsse mit Konsequenzen rechnen, erklärt die Generalstaatsanwaltschaft dazu …

Sparerenteignung als „Testballon“ für die Euro-Zone?

Am 21. Januar 2013 übernimmt der Niederländer Jeroen Dijsselbloem von seinem Vorgänger, dem Luxemburger Jean-Claude Juncker, den Vorsitz der Euro-Gruppe. Schon wenige Wochen später sorgt er für einen weltweiten Eklat.

Als zum ersten Mal seit Beginn der Finanzkrise im Euro-Raum auch Aktionäre, Gläubiger und Kunden für die Rettung der Banken herhalten müssen, spricht Dijsselbloem von einem Modell für die Zukunft für den Umgang mit drohenden Bankenpleiten. Zudem dürfte eine direkte Rekapitalisierung maroder Banken durch den ESM-Rettungsschirm nicht zur Regellösung werden. Je mehr Instrumente zur Kostenbeteiligung von Eigentümern und Gläubigern der Banken es gebe, umso geringer sei der Hilfsbedarf. Banken sollten in der Lage sein, sich selbst zu retten.

Damit widersprach er den meisten Eurokraten, die angesichts der Krise alles klein- und schönredeten. So auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der nicht müde wurde, Zypern als Einzelfall zu bezeichnen.

Jetzt schien es so, als sei das Exempel, das die EU an Zypern statuierte, ein Test gewesen, wie weit die Euro-Gruppe tatsächlich gehen kann.

Dijsselbloems offene Worte sorgten für eine Talfahrt an den Börsen. Anleger befürchteten nun den Zugriff auf das Geld von Bankkunden in anderen EU-Ländern. Davon wären natürlich auch die deutschen Sparer betroffen. Selbst ein Ansturm auf die Finanzinstitute in der Eurozone rückte in den Fokus der Überlegungen und löste Panik und heftige Kritik aus den politischen Lagern aus. Schnell reagierte der Niederländer und ließ mitteilen, dass Zypern ein „besonderer Fall mit außergewöhnlichen Herausforderungen“ sei. Doch so richtig abnehmen konnte man ihm das Zurückrudern kaum.

„Die Aussage von Jeroen Dijsselbloem war wohl kein Versprecher – sondern tatsächlich eher ein ‚Testballon‘ der Eurogruppe“, meinte dann beispielsweise auch Wolfgang Duwe, Aktienstratege bei der Bremer Landesbank. „Inhaltlich sei ein solches Vorgehen künftig durchaus denkbar“.

Der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger legte nach: „Europas Bürger müssen nun um ihr Geld fürchten“. Bart Oosterweld von der Rating-Agentur Moody’s sagte, dass die europäischen Politiker mit ihrer Entscheidung den Beweis geliefert hätten, dass sie bereit seien, Kontoinhabern „finanzielle Schmerzen“ zuzufügen. „Das Zypern-Paket ist negativ für alle Kontoinhaber in Europa“.

Dennoch beeilte sich die Bundesregierung, schnell zu erklären, dass Zypern ein „singulärer Fall“ sei. Aus der zyprischen Lösung seien keine Rückschlüsse auf andere Länder zu ziehen. „Automatische Rückschlüsse von Land eins auf Land zwei funktionieren in Europa nicht, weil die Voraussetzungen sehr unterschiedlich sind“, meinte der damalige Regierungssprecher Steffen Seibert.

Doch damit wurden vor allem die (kleinen) Sparer nur eingelullt. „Es wurde ihnen vorgegaukelt, dass es sich um eine ganz und gar harmlose, aber eben notwendige Maßnahme handelt. Angela Merkels Aussage, dass die Aktion unvermeidbar gewesen sei, um die Verursacher der Krise zu treffen, ist ihr von der deutschen Öffentlichkeit dankbar abgekauft worden“, berichteten dazu die Deutschen Wirtschafts-Nachrichten. „Dass die Opfer des nächtlichen Zugriffs die einfachen zypriotischen Krankenschwestern, Rentner und kleinen Unternehmen sind, wurde in Europa nicht mehr zur Kenntnis genommen“.

Doch schließlich stellte Klaas Knot, EZB-Mitglied und niederländischer Notenbankpräsident, den Sachverhalt richtig, der Katastrophales für Bankkunden, Aktionäre und Sparer in der EU bedeutet. So gab er unumwunden zu, dass die Restrukturierung der europäischen Banken nach dem Vorbild Zyperns erfolgen würde. Dabei würden alle Bank-Guthaben, wenn nötig, enteignet. „Es gibt an den Aussagen von Dijsselbloem nichts auszusetzen. Der Inhalt seiner Bemerkung bezieht sich auf einen Weg, der schon länger in Europa diskutiert wird. Dieser Weg wird Teil des Prozesses sein, wie in Europa Banken liquidiert werden“, so Knot, laut dem Het Financieele Dagblad.

Damit scheint die Sparer-Enteignung in Zypern tatsächlich zur „Blaupause“ geworden zu sein. Denn die Diskussionen in der EU-Kommission gingen in jener Zeit weiter: Nach Großanlegern und Aktionären der Banken sollen, wenn nötig, alle Bankguthaben über einer bestimmten Grenze gekürzt werden. Diese liegt – momentan noch – bei 100.000 Euro. Doch sobald die Beiträge der großen Anleger nicht mehr ausreichen, werden die Staaten dem Bürger tief in die Tasche greifen. Voraussichtlich mit Steuern, denen sie nicht entfliehen können. Und vor allem soll es viel schneller gehen als in Zypern. Zwangs-Beteiligungen sollen zukünftig über ein einziges Wochenende durchexerziert werden: Dazu soll am Freitagabend das Konto mit der Zwangsabgabe belastet werden, so dass der Bankkunde erst am Montag die Katastrophe erkennen und somit der gefürchtete Bank-Run verhindert werden kann.

Dieser Masterplan wurde besprochen. Ebenso eine Gebührenbeteiligung der Sparer für einen gemeinschaftlich finanzierten europäischen Fonds, der die Abwicklung der Banken und die Sicherung der Einlagen von Kleinsparern übernehmen könnte. Natürlich wurde das nicht an die große Glocke gehängt, weil es vor allem hierzulande politisch nicht vermittelbar wäre, Sparer zu belasten.

Allerdings warnten Ökonomen gerade vor den Folgen des Tabubruchs einer Sonder- oder Zwangsabgabe (in Zypern). Dies könnte die Einleger in allen Krisenländern verschrecken, zum Räumen ihrer Konten veranlassen und eine Bankenkrise auslösen, die nur durch massive Interventionen der EZB zu beenden wäre, meinte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn. Thorsten Polleit, Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance & Management erklärte: „Die Maßnahme muss bei allen, die Sparguthaben bei Euro-Banken halten, begründetes Misstrauen heraufbeschwören, vor allem deshalb, weil die Politik ganz offensichtlich bereit ist, geltendes Recht zu verletzen, um der Überschuldungskrise zu begegnen“. Die Zypern-Maßnahmen seien ein Warnschuss für jeden Investor. Die Krise würde aller Voraussicht nach auf weitere Schuldenschnitte, Geldentwertung oder einer Kombination von beidem hinauslaufen. Und wohl auch auf die großangelegte Enteignung oder – wie es Hannes Swoboda, der damalige Vorsitzender der Sozialdemokraten im EU-Parlament formulierte – die „Angriffe gegen die Einlagen“ von Sparern, wie der „Testballon“ Zypern zeigt. Denn wenn Gläubiger von Banken herangezogen werden, dann ist das im Grunde genommen jeder Sparer. Jener nämlich gibt der Bank Geld, die ihm eine Rück- oder Auszahlung schuldet.

Falls also wieder einmal großspurig von Gläubigern gesprochen wird, die für die Bankenrettungen bluten sollen, ist auch der normale Sparer gemeint. Damit ist der Traum von sicheren Bank-Guthaben geplatzt. „Der einfache Bank-Kunde kann spätestens jetzt erkennen, dass er in dem Moment, in dem er sein Geld auf die Bank bringt, keinerlei Rechtsanspruch mehr besitzt, dass er das Geld wiederbekommt“ (Deutsche Wirtschafts-Nachrichten).

Fazit: Die Moral der beschämenden Enteignung der Bankkunden, Sparer und Aktionäre auf Zypern machte klar, dass – ganz gleich welche neuen Gesetze und Vorgaben es nun gibt – unter irgendeinem Vorwand jeder für die Bankenrettung und damit auch für die Eurorettung herangezogen werden kann. „Dabei ist es im Grunde einerlei, ob Banken schlussendlich über den Staat, also den Steuerzahler, ‚gerettet‘ werden oder der Steuerzahler über sein Geschäfts- oder Privatkonto zur Ader gelassen wird“.

Zusätzliche Quellen:

  • „Zypern: Finanzminister tritt ab“ in: Handelsblatt v. 03.04.13
  • „Nach dem Zypern-Poker: Droht heut Banken-Sturm?“ in: Bild v. 26.03.13
  • „Bundesregierung sieht in Zypern-Lösung keine Blaupause“ in: reuters.com v. 27.03.13

Bücher von Guido Grandt finden Sie auf: gugramediaverlag.wordpress.com

Wenn Sie mit dafür sorgen möchten, dass unser unabhängiger Journalismus weiterhin eine Gegenstimme zu regierungstreuen und staatlich geförderten Medien bildet, unterstützen Sie uns bitte mit einer Spende!

Informationen abseits des Mainstreams werden online mehr denn je bekämpft. Um schnell und zensursicher informiert zu bleiben, folgen Sie uns auf Telegram oder abonnieren Sie unseren Newsletter! Wenn Sie mit dafür sorgen möchten, dass unser unabhängiger Journalismus weiterhin eine Gegenstimme zu regierungstreuen und staatlich geförderten Medien bildet, freuen wir uns außerdem sehr über Ihre Unterstützung.

Unterstützen Sie Report24 via Paypal: