Der Wertewesten zeigt gern auf andere, hat aber kein Problem mit Autokratien und Diktaturen – so lange diese ihm nützlich sind. Gleichzeitig höhlt man die Demokratie in den eigenen Ländern immer weiter aus, um das eigene Establishment zu schützen. Die Pseudodemokraten üben sich in Doppelmoral.
Ein Kommentar von Heinz Steiner
Während des Kalten Krieges hat der US-geführte Wertewesten immer wieder Putsche von pro-amerikanischen Schergen (wie Augusto Pinochet in Chile) oder diverse autoritäre Regimes (wie jenes von Schah Pahlevi im Iran) unterstützt. Im Kampf gegen den Kommunismus bzw. gegen die Sowjetunion hat man sich dabei sogar mit den radikalislamischen Taliban in Afghanistan verbündet. „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“, lautete damals mehr oder weniger das Motto. Demokratie und Menschenrechte spielten keine Rolle, auch wenn man Interventionen gerne damit begründete.
Als im Zuge des vom Westen unterstützten Maidan-Putsches in der Ukraine im Jahr 2014, bei dem der gewählte pro-russische Präsident und dessen Regierung durch eine pro-westliche, nationalistische Junta ersetzt wurde, Russland aktiv wurde, echauffierte man sich im Westen darüber. „Es ist wirklich eine erstaunliche, willkürliche Entscheidung von Präsident Putin, ein anderes Land zu überfallen“, sagte Kerry bei Face the Nation. Doch in der Ernsthaftigkeit der Situation blieb die Ironie von Kerrys nächsten Kommentaren möglicherweise unbemerkt. „Man verhält sich im 21. Jahrhundert einfach nicht auf die Art und Weise des 19. Jahrhunderts, indem man ein anderes Land auf völlig erfundenem Vorwand überfällt“, sagte er. Nun, was war da beispielsweise mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak und was mit der Brutkastenlüge?
Auch heute lässt man im Westen keine Gelegenheit verstreichen, unliebsame Länder wie Russland, China oder den Iran für deren wenig demokratische politischen Systeme zu attackieren (nicht jedoch verbündete Länder wie Saudi-Arabien oder andere Golfmonarchien). Dies wäre verständlich, wenn es sich bei den Kritikern auch um wirklich lupenreine Demokraten handeln würde. Doch egal ob nun in den Vereinigten Staaten oder in Deutschland – die Demokratie in den eigenen Ländern erodiert zusehends.
Man muss sich nur all die Bemühungen des Establishments ansehen, wie sämtliche Register zur Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit gezogen werden. Offene Debatten über den Klimawandel, die Migrationsproblematik, die Corona-Katastrophenpolitik, den Genderwahn und dergleichen sind unerwünscht. Andere Ansichten als jene der herrschenden Klassen sollen wegzensiert werden. Die Twitter-Files haben diesbezüglich schon einen interessanten Einblick gewährt, wie alleine die US-Regierung samt CIA und FBI Einfluss auf die Social-Media-Anbieter nehmen, um den Nachrichtenfluss zu steuern.
Auch die Bemühungen der linksgrünen Ampel in Deutschland zur Bekämpfung der AfD verdeutlichen, dass man gar keine wirkliche Opposition haben möchte. Ganz im SED-Stil sollen die Bürger gefälligst nur aus jenen Parteien aussuchen dürfen, die brav auf Linie sind. Dann gibt es im Bundestag – wie in der russischen Staatsduma – eben fast nur mehr Parteien und Abgeordnete, die der Regierung angehören, oder eben regierungsnah sind.
Nur weil sich Nordkorea beispielsweise als „demokratische Volksrepublik“ bezeichnet, heißt das noch lange nicht, dass das Land auch tatsächlich demokratisch ist und dass das Volk wirklich etwas zu sagen hätte. Ähnlich sieht es mit den sich selbst als „demokratisch“ bezeichnenden Parteien in Deutschland und anderen westlichen Ländern aus. Denn als „demokratisch“ gilt dem herrschenden Establishment nur, wer sich auch brav in den eigenen Wertekanon einreiht. Das ist eine Doppelmoral, die nur Pseudodemokraten rechtfertigen können.