Der Kunststaat Bosnien-Herzegowina droht zu zerfallen. Infolge der Srebrenica-Resolution der Vereinten Nationen und internen Disputen wollen die bosnischen Serben die Unabhängigkeit – und wohl früher oder später den Anschluss an Serbien selbst. Dies erhöht die Spannungen in der Region und kann zu einer neuen veritablen Balkankrise führen.
Am gestrigen 23. Mai hat die UN-Generalversammlung mit 84 Ja-Stimmen, 19 Nein-Stimmen und 68 Enthaltungen eine Resolution verabschiedet, wonach der 11. Juli zum Internationalen Tag des Gedenkens an den Srebrenica-Völkermord erklärt wurde. Eine Mahnung an den Juli 1995, als während des jugoslawischen Bürgerkriegs in der bosnischen Stadt Srebrenica mehr als 8.000 bosniakische Männer und Jungen von serbischen Soldaten und paramilitärischen Truppen getötet wurden. Dies stieß bei den bosnischen Serben und in Serbien auf Widerstand und führte zu Protesten.
In der von Deutschland und Ruanda initiierten Resolution wurden alle Länder aufgefordert, „die festgestellten Tatsachen zu bewahren, einschließlich durch ihre Bildungssysteme durch die Entwicklung geeigneter Programme, auch im Gedenken, um Leugnung und Verzerrung sowie das Auftreten von Völkermorden in der Zukunft zu verhindern“. In der Resolution wird auf Wunsch Montenegros ausdrücklich erwähnt, dass „die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach internationalem Recht für das Verbrechen des Völkermords individualisiert ist und nicht einer ganzen ethnischen, religiösen oder anderen Gruppe oder Gemeinschaft zugeschrieben werden kann“.
Die Führung der Republika Srbska, der serbisch dominierten Hälfte Bosnien-Herzegowinas, zeigte sich sichtlich verärgert. Insbesondere auch deshalb, weil der Vertreter des Landes bei den Vereinten Nationen ohne eine Entscheidung des staatlichen Präsidiums von Bosnien-Herzegowina für die Resolution gestimmt habe. Dies sei eine Verletzung des Dayton-Friedensabkommens, so der Präsident der Republika Srbska, Milorad Dodik.
„Wir wollen nicht mit denen leben, die die Verfassung von Bosnien und Herzegowina und die Außenpolitikstrategie verletzen“, sagte Dodik. Die Regierung seiner Teilrepublik werde der Staatsregierung ein „Friedensabkommen zur Trennung“ senden. „Heute starten wir eine formelle Entscheidung zur Suche nach einer friedlichen Abgrenzung. Wir werden vorschlagen, zuerst die politischen Kompetenzen in Bezug auf die Entitäten zu klären und das aktuelle Modell der Funktionsweise der Wirtschaft zu bewahren und innerhalb weniger Jahre an das Modell der friedlichen Trennung anzupassen“, sagte Dodik.
Es ist anzunehmen, dass die Republika Srbska nach einer Unabhängigkeitserklärung auch rasch den Anschluss an Serbien suchen wird. Die Moslemisch-Kroatische Föderation steht damit wohl auf verlorenem Posten, da Kroatien wohl kein Problem mit der Aufnahme der kroatisch besiedelten Teile Bosnien-Herzegowinas hätte, wohl aber doch mit jenen, die von den moslemischen Bosniaken bewohnt werden. Dies wird die ethnischen Konflikte in der Region erneut verschärfen.