Am 20. und 21. Februar 2024 fand in London eine Anhörung im Fall Julian Assange statt. Konkret ging es darum, ob gegen die 2021 beschlossene Auslieferung durch Großbritannien an die USA noch ein Rechtsmittel zulässig ist. Heute, am 26. März 2024 wurde das Urteil verkündet: Julian Assanges Berufung wurde zugelassen.
Presseaussendung der GGI
Als Gründe gibt das Gericht laut Stella Assange an, dass Julian Assange potenziell die Todesstrafe drohen könnte, dass er aufgrund seiner Nationalität diskriminiert und in seiner Meinungsäußerungsfreiheit massiv eingeschränkt wurde. Erst kürzlich berichtete das Wall Street Journal, dass im Hintergrund ein Deal vorbereitet werden würde. Die Meldung konnte von seinen Anwälten nicht bestätigt werden, ist aber nicht unplausibel.
Pressefreiheit in Gefahr
Dass es überhaupt so weit kam, ist ein veritabler rechtsstaatlicher Skandal. Fakt ist, Julian Assange als Betreiber der Plattform WikiLeaks gilt als Publizist. WikiLeaks ist ein Medium und daher genauso wie Assange von der Pressefreiheit geschützt. Es geht nicht darum, ob er ein guter oder ein schlechter Journalist ist, ob aktivistische Elemente vorhanden sind oder nicht, sondern nur, ob journalistische Tätigkeiten bzw. publizistische Tätigkeiten durchgeführt wurden. Assange hat zahlreiche Geheimdokumente zugespielt bekommen, diese gesichtet, aufbereitet und richtigerweise als von großer öffentlicher Relevanz beurteilt. Daher hat er diese Dokumente veröffentlicht. Falls er hierbei – wie behauptet wird – nicht alle journalistischen Standards eingehalten hätte, bedeutet das nicht, dass er den Schutz durch die Pressefreiheit verlieren würde. Andernfalls würden wohl zahlreiche Journalisten diesbezüglich keinen Schutz genießen.
Ein gefährlicher Präzedenzfall
Assange soll in den USA nach dem Espionage Act angeklagt werden. Es handelt sich um ein altes Gesetz, das keine Ausnahme für journalistische Tätigkeiten vorsieht. Und genau hier liegt für die Auslieferung das Problem. Die Pressefreiheit ist in Europa durch die Europäische Menschenrechtskonvention geschützt. Daher dürfen Länder, die diese Konvention unterschrieben haben, nicht ausliefern, wenn absehbar ist, dass die darin enthaltenen Rechte verletzt werden. Hinzu kommt, dass Assange nicht einmal US-amerikanischer Staatsbürger ist.
Mit einer Auslieferung würde ein Präzedenzfall geschaffen werden, auf den sich auch andere Länder berufen könnten. Sollen zukünftig beispielsweise französische Investigativ-Journalisten ausgeliefert werden, wenn sie in China Recherche betreiben? Wie ist das mit Auslieferungen in die Türkei, nach Saudi-Arabien oder in den Iran, wenn die nationalen Gesetze journalistische Tätigkeiten unter Strafe stellen? Im internationalen Recht muss gleiches Recht für alle gelten, auch wenn das in der Praxis oft nicht der Fall ist. Doch könnten sich die westlichen Staaten hier nicht mehr auf die Pressefreiheit glaubwürdig berufen, um eine derartige Auslieferung zu untersagen.
Eine Auslieferung würde die sprichwörtliche Büchse Pandoras öffnen. Wichtig ist auch zu wissen, dass unabhängig von den Entscheidungen der Gerichte die Staaten bzw. die Regierungen als Exekutivorgane anders entscheiden können. Sie sind nicht an die gerichtlichen Urteile gebunden. Sowohl können die USA ohne Angabe von Gründen den Auslieferungsantrag zurückziehen, als auch Großbritannien kann die
Auslieferung unbegründet verweigern.
Der Fall Assange – klare politische Verfolgung
Evident im Fall Assange ist auch, dass die Behörden sich nicht korrekt verhalten haben. Ohne Anklage wird Julian Assange nun seit 11 Jahren verfolgt. UN-Folterberichterstatter Nils Melzer hat zahlreiche
rechtsstaatliche Verstöße festgestellt. Im Westen ist wohl kaum ein Fall bekannt, der derart rechtswidrig gehandhabt wurde und offenkundig nach politischer Verfolgung schreit. Gleichzeitig müsste Assange in sämtlichen Staaten Europas Asyl erhalten können. Dass dies nicht der Fall ist, ist wohl dem großen Druck der USA geschuldet. Hier offenbart sich leider die Doppelmoral der westlichen Werte. Diese können nur entweder immer gelten oder gar nicht, man kann sich aber nicht in einem Fall darauf berufen und sie im anderen Fall unter den Tisch fallen lassen.
Im Fall Assange ist auch relevant, dass bis heute nicht nachgewiesen werden konnte, dass auch nur eine einzige Person durch die Veröffentlichungen gefährdet oder geschädigt wurde. Das war jedoch eines der Hauptargumente, welches die USA ins Treffen führten. Fakt ist umgekehrt, dass Kriegsverbrechen mit zahlreichen Opfern durch die Veröffentlichungen aus Afghanistan an die Öffentlichkeit kamen. Bis heute wurde kein Verantwortlicher oder unmittelbarer Täter verurteilt. Genau das ist auch die fatale Botschaft, die damit ausgesendet wird. Aufdecker werden verfolgt, Kriegsverbrecher werden geschont. Wie sich
das mit den westlichen Werten vereinbaren lassen soll, bleibt ein Rätsel.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses unwürdige Schauspiel, das offenkundig einzig und allein den Zweck verfolgt, kritische Journalisten einzuschüchtern, nun endlich endgültig ein Ende findet. Die Glaubwürdigkeit des Westens ist schon schwer beschädigt, man sollte ihr nicht noch den Todesstoß versetzen.