Haben die sogenannten Freien Demokraten versehentlich ein Schmähplakat gegen die eigene Personalie produziert? Als „Oma Courage“ wird die umstrittene FDP-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, in einer neuen Kampagne bezeichnet: offenkundig eine Anspielung auf „Mutter Courage“ aus einem Drama von Bertolt Brecht. Darin geht es um eine Kriegshändlerin, die durch ihre Geschäfte ihre eigenen Kinder verliert, aber trotzdem weiter emsig auf den Schlachtfeldern Handel treibt. Strack-Zimmermann steht wegen ihrer Verflechtungen mit der Rüstungsindustrie in der Kritik, die naturgemäß von der Kriegstreiberei profitiert, die beim Ukraine-Krieg betrieben wird.
Brechts „Mutter Courage und ihre Kinder“ handelt von einer Marketenderin, die während des Dreißigjährigen Kriegs über die Schlachtfelder zieht und Handel treibt – und dabei nach und nach ihre drei Kinder verliert. Das Geschäft geht ihr über alles: So wird etwa ihr zweiter Sohn erschossen, weil sie zu lange über eine Auslösesumme für ihn verhandelt. Nach jedem Verlust und auch nach dem Tod aller ihrer Kinder verkauft „Mutter Courage“ weiterhin ihre Waren an Soldaten, als wäre nichts geschehen. Brecht brachte mit dem Stück seine Abscheu vor dem Krieg und vor den kapitalistischen Umtrieben, die ihn anheizen, zum Ausdruck. Insbesondere Kritikern der Rüstungslobby, die von Kriegstreiberei auf Kosten von Menschenleben profitiert, spricht diese Botschaft aus der Seele.
Umso absurder ist es da, dass die FDP ausgerechnet Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf einem neuen Plakat für die EU-Wahl als „Oma Courage“ bezeichnet. Denn jeder, der Brechts Stück kennt (und das sind viele, denn es ist eine typische Schullektüre), assoziiert sie so mit der Frau, die ihre Kriegsgeschäfte einfach nicht lassen kann – auch wenn sie das ihre eigenen Kinder kostet. Strack-Zimmermann steht wegen ihrer Verflechtungen mit der Rüstungslobby immer wieder in der Kritik. So prangerte „Lobbycontrol“ im Mai 2022 an:
Der Verein Lobbycontrol hält die ehrenamtlichen Funktionen der Verteidigungsausschussvorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) in Vereinen, an denen die Rüstungsindustrie zentral beteiligt ist, für schlecht vereinbar mit ihrer Tätigkeit als Ausschussvorsitzende. Strack-Zimmermann ist unter anderem Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer. „Beides sind von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen, wo wir es kritisch sehen, wenn Abgeordnete des Bundestages dort leitende Funktionen übernehmen – auch wenn es ehrenamtlich geschieht“, sagte Lobbycontrol-Sprecher Timo Lange der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Die Rüstungsindustrie würde so über „sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament verfügen“.
NOZ / Presseportal
Wenn die FDP-Politikerin sich also über den Papst empört, der Friedensverhandlungen fordert, oder über Olaf Scholz, der Taurus-Lieferungen in die Ukraine ablehnt, werden diese Verbindungen naturgemäß immer wieder aufs Tapet gebracht. Das mit einem solchen Plakat noch zu unterstützen, kann eigentlich nicht im Sinne von Strack-Zimmermann und ihrer Partei sein.