Ein Carrington-Ereignis ist ein extrem starker geomagnetischer Sturm, verursacht durch eine massive Sonneneruption, wie sie 1859 stattfand. Es kam zu weltweiten Telegrafenstörungen und spektakulären Polarlichtern, die sogar in tropischen Breiten sichtbar waren. Die nach dem Astronomen Richard Carrington benannte Sonneneruption schleuderte eine enorme Menge geladener Teilchen zur Erde, die bei Kollision mit dem Erdmagnetfeld geomagnetische Stürme auslösten. In unserer modernen, technologieabhängigen Gesellschaft könnte ein ähnliches Ereignis katastrophale Auswirkungen auf Stromnetze, Kommunikations- und Navigationssysteme haben.
Ein Text und Video von Dr. Martin Steiner, mit Ergänzungen durch die Redaktion
Was ist ein Carrington-Ereignis? Der britische Astronom Richard Christopher Carrington beobachtete vom 28. August bis 4. September 1859 mehrere starke Sonneneruptionen, als er die Sonnenflecken aktuell vermessen und abgezeichnet hatte. Der dahinterliegende, so genannte Sonnenzyklus 10 des 19. Jahrhunderts, der stattfand, begann ungefähr im Jahr 1855 und erreichte seinen Höhepunkt im Jahr 1860. Dieser Zyklus ist besonders bemerkenswert. Das Carrington-Ereignis im Jahr 1859 war einer der stärksten geomagnetischen Stürme, der jemals aufgezeichnet wurde.
Es wurde berichtet, dass auch in südlichen Breiten wie Rom, Havanna und auf Hawaii Polarlichter zu sehen waren, die normalerweise nur in höheren Breiten auftreten. Ein Ereignis dieser Stärke kann statistisch betrachtet alle 100-150 Jahre auf der Erde vorkommen. Auslöser sind Ausbrüche der Sonnenoberfläche, die zwar häufig auftreten, meistens aber nicht die Erde treffen.
Ein koronaler Massenauswurf (englisch coronal mass ejection, CME) ist eine Sonneneruption (eine eruptive Protuberanz), bei der Plasma ausgestoßen wird. Die Austrittsquellen sind meist Sonnenflecken. Das ausgestoßene Plasma besteht hauptsächlich aus Elektronen, Protonen und zu kleinen Anteilen aus Kernen schwererer Elemente wie Helium, Sauerstoff und Eisen. Die Häufigkeit von koronalen Massenauswürfen ist eng an die Sonnenaktivität gekoppelt: Im Sonnenfleckenminimum sind sie deutlich seltener als im Sonnenfleckenmaximum, die durchschnittliche Häufigkeit schwankt zwischen 0,5 und 6 Ereignissen pro Tag.
Ende August 1859 wurde in Nordamerika das in geschichtlicher Zeit stärkste koronale Ereignis beobachtet, mit taghellen Leuchterscheinungen in der Nacht und zerstörenden magnetischen Induktionen in Telegrafenleitungen.
Dieses Carrington-Ereignis führte also zu „Polarlichtern“, die selbst in Kuba, Rom und Honolulu beobachtet werden konnten. „Die Eruptionen waren so energiereich, dass Menschen im Nordosten der USA ihre Zeitung im Licht des Polarlichts lesen konnten“, berichteten zeitgenössische Zeitungen. Weiterhin: „Die geomagnetischen Störungen waren so stark, dass Telegrafenämter von Funkenschlag aus ihren Geräten berichteten, der teilweise sogar das Papier in Brand setzte“.
1859 wurden solche Ereignisse als Kuriositäten berichtet. Würde ein ähnliches Ereignis heute auftreten, würde jedoch möglicherweise die gesamte Hightech-Infrastruktur der Welt zusammenbrechen. Heute stehen hochentwickelte technische Infrastrukturen auf dem Spiel, die inzwischen nahezu alle Bereiche unseres Lebens durchdringen.
Sonnenstürme, die sich zur Erde bewegen, kommen hier in mehreren Phasen an. Nicht alle Phasen treten bei jedem Sturm auf. Zuerst wird durch hochenergetisches Sonnenlicht, vor allem Röntgen- und UV-Strahlen, die obere Atmosphäre ionisiert. Dadurch wird der Funkverkehr gestört. Danach folgt ein Strahlensturm, der ungeschützten Astronauten gefährlich werden kann. Zum Schluss folgt der koronale Massenauswurf (CME): eine langsam bewegte Wolke geladener Partikel, die mehrere Tage benötigen kann, um die Erdatmosphäre zu erreichen.
Wenn ein CME auf die Erde trifft, können die Sonnenpartikel mit dem Magnetfeld der Erde wechselwirken und dabei starke elektromagnetische Feldschwankungen hervorrufen. Besonders problematisch sind Störungen des GPS-Systems, das von Mobiltelefonen, Flugzeugen und Fahrzeugen genutzt wird, und auch die Satellitenkommunikation gefährdet.
Die größten Probleme von CMEs betreffen jedoch das Stromversorgungsnetz, da die von Sonnenpartikeln – der Sonnenwind – Spannungen bzw. transiente Spannungsspitzen in langen Leitungen induziert werden, welche wiederum elektrische Anlagenteile (Schaltgeräte, Transformatoren usw.) zerstören könnten. Derartige Transformatoren zu ersetzen, könnte sehr lange dauern – insbesondere, wenn Hunderte bis Tausende dieser Anlagen gleichzeitig zerstört würden. Dies ist bereits bei einem kleineren Sonnensturm in Kanada eingetreten (13. März 1989), die stabile Wiederherstellung der zentral organisierten Stromversorgung war seinerzeit höchst problematisch.
Wenn man sich vorstellt, dass große Städte eine Woche, einen Monat oder ein Jahr lang ohne Strom sind, dann werden sich allein die monetären Schäden und die Folgeschäden leicht auf viele Billionen US-Dollar summieren. Die Folgen eines solchen Carrington-Ereignisses in der heutigen Zeit wären Jahrzehnte lang spürbar.
Eine mögliche Lösung wäre, das bestehende Stromnetz weltweit aufzurüsten und entsprechend resilient zu machen, damit es gegenüber Störungen durch Sonnenstürme weniger anfällig ist. Es bestehen hier punktuelle Bemühungen der Netzbetreiber – jedoch, wenn dann müsste dies eher global – zumindest länderübergreifend – durchgeführt werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, eine weltweite CME-Vorwarnstruktur zu errichten.
Genau, durch den Einsatz von Sonnen-Beobachtungs-Satelliten, die Sonneneruptionen (CMEs) beobachten, kann die Auswurfbahn dieser Eruptionen ermittelt und Vorhersagen getroffen werden, ob und wann ein Sonnensturm die Erde treffen wird. Mit solchen verbesserten Vorhersagen und dem gleichzeitigen Aufbau einer weltweiten Kommunikations- und Koordinationsstruktur können Maßnahmen zur Begrenzung von Schäden effektiver geplant und umgesetzt werden. Der Zeitraum zwischen der Beobachtung einer CME und ihrem Auftreffen auf der Erde beträgt in der Regel 15-25 Stunden. Dieser Zeitraum kann, bei geeigneter Abstimmung und Vorbereitung inklusive entsprechendem Training, ausreichend sein, um vorbereitende Schutzmaßnahmen zu ergreifen und so die Schäden an der elektrotechnischen Infrastruktur möglichst gering zu halten.
Auch andere lange Leitungen, wie Telekommunikationskabel, und angeschlossene Geräte können durch ein Carrington-Ereignis ebenso in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch in privaten Haushalten sollten Vorbereitungen getroffen werden: Sich vom Netz trennen, eventuell PV-Anlagen erden und vom Wechselrichter/Speicher trennen, empfindliche Elektronik (PC, Handy, Datenträger…) in eine Metallbox (Faradayscher Käfig) verstauen. Danach wieder langsam beginnen, die eigene Hausanlage wieder in Betrieb zu nehmen.
Wesentlich ist also, die Infrastruktur für die Dauer des Sonnensturms (einige Stunden bis Tage) bestmöglich zu schützen und sich für die „Zeit danach“ vorzubereiten.
Wie dargelegt, ist die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines Carrington-Ereignisses gering – statistisch betrachtet tritt es nur alle 100-150 Jahre auf. Die Auswirkung eines solchen Ereignisses auf die globale elektrotechnische Infrastruktur – also auch die leitungsgebundene Kommunikationsinfrastruktur – dürfte jedoch massiv sein.
Die US-Weltraumbehörde NASA meldete, dass die Auswirkungen eines starken Sonnensturms in den nächsten Tagen die Erde in Mitleidenschaft ziehen können.
Weitere Quellen:
- https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/was-wuerde-passieren-wenn-heute-der-groesste-sonnensturm-aller-zeiten-losbraeche
- https://de.wikipedia.org/wiki/Carrington-Ereignis