Ein Erdmännchen im Zoo sehnt sich nach der Freiheit: Für ÖRR-Faktensucher beruht diese Handlung eines Kinderbuchs auf typischen „verschwörungsideologischen Denkmustern“. Statt faul und zufrieden zu sein wie die anderen Tiere, gelingt Erdmännchen Friedrich in Ernst Wolffs Buch „Friedrichs Traum von der Freiheit“ der Ausbruch aus der Gefangenschaft. Hier lernt der pelzige Protagonist auch Eigenverantwortung, denn draußen stellt ihm niemand das Futter vor die Nase. Laut einem „Faktencheck“ ist das sehr egoistisch und widerspricht dem Freiheitsverständnis in der „freiheitlichen Demokratie“.
Ein Kommentar von Vanessa Renner
Wollen Sie in einer Welt leben, in der nur derjenige, der sich einem Zootier gleich alimentieren und kontrollieren lässt, als braves Bürgerlein gilt? Wer das verneint, begibt sich für „Faktenchecker“ auf dünnes Eis. Die stören sich nämlich enorm an der Handlung von Ernst Wolffs Kinderbuch „Friedrichs Traum von der Freiheit“. Darin entdeckt Erdmännchen Friedrich, dass es eine Welt außerhalb seines Geheges im Zoo gibt. Die will er erkunden, doch sein Wunsch stößt bei seinen Mitinsassen auf wenig Gegenliebe, denn die sind mit der Vollversorgung in Gefangenschaft sehr zufrieden.
Eine Krähe hilft dem Erdmännchen schließlich dabei, tatsächlich aus seinem Gefängnis zu entkommen. Beim BR „Faktenfuchs“ versteigt man sich hier zu kuriosen Deutungen:
Auch das ist ein Bedürfnis, das durch Verschwörungserzählungen befriedigt wird: Sich als Individuum aus der Menge herauszuheben, etwas Besonderes, Einzigartiges zu sein, wie der Sozialpsychologe Roland Imhoff von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz in einer Fachzeitschrift ausführt.
Quelle: BR
Das krampfhafte Auffallenwollen kennt man freilich eher von den woken LGBTQ-Anhängern, die sich mit immer neuen fiktiven Geschlechtern und sexuellen Orientierungen und einer langen Liste an Selbstdiagnosen von Autismus bis Zwangsstörung als etwas ganz „Besonderes“ hervorheben wollen. Doch nein, es sind die „Verschwörungsgläubigen“, die in Frieden und Freiheit (und vor allem in Ruhe) leben wollen, die Pseudoexperten und den Wahrheitshütern im Mainstream in die Suppe spucken und entsprechend pathologisiert werden sollen.
Der fragliche Sozialpsychologe, der zu Themen wie „Vorgeburtliche Geschlechterrollenstereotypen: Geschlechtsspezifische Erwartungen und Wahrnehmungen (werdender) Eltern“ forscht, befindet in dem zitierten Text, dass Verschwörungstheoretiker skandalösen Behauptungen wie „Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte“ zustimmen, weil sie sich a) einzigartig fühlen wollen und b) zu wenig Kontrolle über ihr Leben haben. Es fragt sich natürlich, wer die Kontrolle über sein Leben verloren hat – der, der die Macht von Lobbyismus in der Politik leugnet, oder der, der sein Leben frei und selbstbestimmt führen möchte und dagegen aufbegehrt, dass im Namen fremder, zumeist finanzieller Interessen bürgerfeindliche Politik gemacht und die Rechte der Menschen mit Füßen getreten werden.
Wunsch nach Selbstbestimmung ist rücksichtslos und egoistisch
Doch mehr noch: Die Darstellung der Freiheit draußen, die das Erdmännchen nach der Flucht genießt, auch wenn es hier für sich selbst sorgen muss, kollidiert laut den selbsternannten Faktencheckern mit der „freiheitlichen Demokratie“. Der Ausbruch aus dem Zoogehege wird mit „rücksichtslosem Egoismus“ verbunden: In der pervertierten „freiheitlichen Demokratie“, in der man bei den Öffentlich-Rechtlichen auf Kosten der Beitragszahler diesem Faktencheck zufolge wohl gerne leben würde, beschneidet ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben die Freiheit der Mitbürger. Man hängt diese steile These an der „Querdenker“-Bewegung auf, die die erwiesenermaßen sinnlosen Corona-Maßnahmen anprangerte. Kann man sich in einem „Faktencheck“ noch mehr ins eigene Knie schießen? Es war die uferlose Panik einiger weniger vor Covid-19, die die Freiheit der übrigen Menschen über Jahre beschnitt – eine Maske oder Impfung abzulehnen, beschnitt dafür zu keinem Zeitpunkt die Freiheit eines anderen.
Die „Querdenker“ sind ein bekanntes Beispiel für die einseitige Verwendung des Begriffs „Freiheit“. Ihr Freiheitsverständnis widerspricht dem einer freiheitlichen Demokratie, die eben nicht auf rücksichtslosen Egoismus und uneingeschränkte Handlungsfreiheit, sondern auf ein Miteinander setzt. Die grundsätzliche Freiheit jedes Menschen findet in der freiheitlichen Demokratie seine Grenzen, wo die Freiheit eines anderen verletzt wird. So ist es für die Bundesrepublik Deutschland im Grundgesetz festgelegt.
Quelle: BR
Der Antisemitismus-Beauftragte der Landesregierung Baden-Württemberg behauptet gegenüber dem BR sogar, aufgezwungene Impfungen im Rahmen von 2G und Co. würden nur „als Freiheitsbeschränkung interpretiert“. Wie hätten Menschen mit solchen Denkweisen in Deutschlands dunkelsten Zeiten agiert?
„Wenn wir jetzt einen Verschwörungsmythos über die Freiheit erzählen, dann bedeutet das, die anderen, die wollen mir die Freiheit wegnehmen, die wollen mich unterdrücken. Die wollen mir meine Meinung verbieten. Die wollen mich impfen oder was auch immer quasi da als Freiheitsbeschränkung interpretiert wird.“
Quelle: BR
Von Realität umzingelt?
Später stellt man zwar fest, dass auch andere Kinderbücher Ausbruchsgeschichten erzählen, aber der Kontext – in diesem Falle: der Autor – sei entscheidend. Man könnte auch sagen: Grüne Indoktrination und Weltuntergangserzählungen für Kinder sind genehm – aber Ernst Wolff soll lieber keine Bücher schreiben, die freiheitsliebende Menschen ihren Kindern vorlesen können. Nachfolgend empört man sich im Kern über mangelnde Medienkontrolle, weswegen sogenannte „verschwörungsideologischen Inhalte“ auch in den sozialen Netzen allgegenwärtig seien, und fordert Eltern dazu auf, mit ihren Kindern zu sprechen, damit Verschwörungsglauben sich nicht festsetzen kann.
Wenn natürlich schon der Wunsch nach Freiheit zur Verschwörungsideologie umgedeutet wird, so muss man feststellen, dass für „Faktenchecker“ die Verschwörung längst allgegenwärtig ist: Wie Robert Habeck scheint man sich hier unangenehm von Realität umzingelt zu fühlen.
Mehr zu Ernst Wolffs Buch „Friedrichs Traum von der Freiheit“:
„Was ist das denn…? Durch einen Zufall findet Erdmännchen Friedrich eines Tages heraus, dass die Welt nicht mit dem Zaun des Zoogeheges endet, in dem er seit seiner Geburt mit seiner Familie lebt. Aufgeregt erzählt er den anderen von seiner Entdeckung und erlebt eine große Enttäuschung: Sie wollen nichts von der Welt außerhalb des Geheges wissen, sondern lieber weiterhin satt und zufrieden im Zoo leben. Ganz anders Friedrich: Ihn hat die Neugier gepackt, er möchte unbedingt herausfinden, wie es auf der anderen Seite des Zaunes aussieht und was es dort zu erleben gibt. Also beschließt er, die Welt außerhalb des Geheges auf eigene Faust zu erkunden.
Das aber ist nicht so einfach. Sein erster Ausbruchsversuch scheitert jämmerlich. Doch Friedrich ist ein Kämpfer und gibt nicht so leicht auf. Da kommt ihm das Glück in Gestalt der Krähe Carola zu Hilfe. Sie erzählt Friedrich von der bunten und aufregenden Welt außerhalb des Zoos, macht ihm die Flucht schmackhaft und bietet ihm an, ihn in die Freiheit zu fliegen. Als Erdmännchen in die Luft gehen? Ist das nicht viel zu gefährlich?, fragt sich Friedrich, zögert und kämpft mit der Angst. Aber was, wenn er diese einmalige Gelegenheit verpasst? Wenn er nie wieder so eine Chance erhält? Friedrich ist hin- und hergerissen, doch am Schluss siegen seine Neugierde und sein Tatendrang. Zusammen mit Carola hebt er ab, steigt in den Himmel und lässt sich auf das Abenteuer seines Lebens ein… Mit 26 traumhaft schönen Illustrationen.„