Report24 hat sich die Sensationsmeldung genau angesehen. Der Vortragende, ein so genannter Ufologe namens Jaime Maussan, hat aufgrund früherer Präsentationen von Fälschungen nicht gerade den besten Ruf. Ob man echte, 1.000 Jahre alte Mumien tatsächlich auf diese Art in ein Regierungsgebäude bringen würde, darf, sollte dringend hinterfragt werden – es handelt sich offenbar um Raubgut aus Peru. Insgesamt fühlt man sich an eine Inszenierung wie bei der Brutkasten-Lüge zur Einleitung des Golfkrieges erinnert.
Während die deutschsprachigen Medien weitgehend noch schliefen, berichtete Report24 auf Basis der internationalen Nachrichten über den Event in Mexiko: Mexiko steigt in die nächste Angst ein: Leichen von zwei “Aliens” im Kongress präsentiert. Doch dieser erste Bericht war aufgrund der Dringlichkeit verkürzt, das Thema verdient durchaus mehr Aufmerksamkeit.
Fest steht: Maussan macht mit Videoclips von angeblichen UFO-Sichtungen, ob echt oder erfunden, auf YouTube das große Geld. Sein Kanal hat fast eine Million Follower. Die Präsentation vor dem Kongress von Mexiko dürfte seiner Bekanntheit international einen großen Schub verleihen. Doch sein Ruf ist alles andere als gut. Zwischen den Jahren 2015 und 2017 fiel der ehemalige Journalist und Moderator mit einer ähnlichen Geschichte auf. Damals präsentierte er eine vermeintliche Alienmumie aus Nacza. Diese soll sich laut Snopes später als die sterblichen Überreste eines menschlichen Kindes herausgestellt haben.
Faktencheck zu „Alienfund“ von 2017 nicht sehr präzise
Der Vollständigkeit halber muss man aber auch dazu sagen, dass die „Faktenchecker“ von Snopes auch nicht für ihre Seriosität und Integrität bekannt sind und der diesbezügliche Faktencheck mehr als dürftig ist. Tatsächlich bezieht sich der Link im Faktencheck, der auf eine Kinderleiche verweist, auf einen völlig anderen Fall in einem anderen Land. Die Vorgangsweise von Maussan war bei dem früheren Fall jedenfalls sehr ähnlich. Seine damaligen Erkenntnisse präsentierte der selbsternannte Forscher am 17. Juli 2017 im Rahmen einer zweistündigen Pressekonferenz, die bis heute via Gaia abrufbar ist.
Wir haben weitergesucht und herausgefunden, dass es bereits 2015 eine Präsentation gab, an der Maussan beteiligt war. Er präsentierte ein „Alien aus Rosswell“, das sich als die sterblichen Überreste eines indigenen Kindes herausstellte. Ein Forscherkollege entschuldigte sich später öffentlich gegenüber der indigenen Bevölkerung, dass ein totes Kind fälschlich für ein solches UFO-Spektakel herhalten musste.
Neue Präsentation eines alten Hutes
Was sofort ins Auge fällt, ist der Umstand, dass die gestern in Mexiko präsentierten Alien-Überreste wohl alles andere als ein neuer Fund sind. Maussan präsentierte sich nachweislich bereits 2017 mit exakt den Mumien, welche in den Kongress gekarrt wurden. Auf dem Foto greift er diese Überreste direkt mit seinen Händen an. Auch das ist eine äußerst seltsame Art, mit angeblich 1.000 Jahre alten Mumien umzugehen.
Aufnahme von Jaime Maussan aus 2017 oder älter. Hier wird mit hoher Sicherheit eine der Mumien gezeigt, welche gestern dem mexikanischen Kongress präsentiert wurden.
Allerdings wurden die Alien-Mumien im Jahr 2017 noch als „Nacza-Mumien“ tituliert, wo man sie auch gefunden habe. In der Pressekonferenz vom 12. September wird als Fundort hingegen von „Algenminen“ in Cusco gesprochen. Der Ort liegt ebenso in Peru, ist aber von Nacza 650 Kilometer weit entfernt. Weshalb man vermeintliche peruanische Alien-Leichen ausgerechnet dem mexikanischen Kongress vorführt und nicht der peruanischen Regierung, ist eine weitere Frage. Zu klären wäre, ob die Ausfuhr von Mumien aus Peru überhaupt rechtens war.
Merkwürdiges Ehrendoktorat
Maussan ist ohne Frage eine schillernde Persönlichkeit. Im Internet ist er unter anderem als Ehrendoktor des MEXICAN INSTITUTE OF LEADERS OF EXCELLENCE zu finden, einer Institution, die zentral auf eine Verbindung zum Vatikan hinweist und darauf offenbar sehr stolz ist. Böse Zungen könnten behaupten, es handle sich um ein Weltwirtschaftsforum für Arme. Das Logo (Pyramide mit dem „all seeing eye“) und die Kleidung der Mitglieder erinnert an Freimaurer und Illuminaten.
Zurück zu dem Mumien. Auf Livescience ist nachzulesen, dass der Fund im Jahr 2015 tatsächlich Grabräubern zugeschrieben wird:
Die Mumien stammen von „einer Gruppe von ‚Huaqueros‘ oder archäologischen Schatzsuchern aus der Stadt Palpa“, sagte Thierry Jamin, Präsident des Inkari-Cusco-Instituts. Jamin ist an der Erforschung der Mumien beteiligt und bezeichnet den Anführer dieser Plünderungsgruppe als Mario. Mario ist ein Schatzsucher. Er ist ein Straftäter, der den Polizeidiensten der Nazca-Region gut bekannt ist. Sie [seine Gruppe] plündert seit mehr als 20 Jahren archäologische Stätten an der peruanischen Küste.
Grabräuber sind weltweit nicht dafür bekannt, besonders behutsam mit ihren Funden umzugehen und die Umstände der Funde zu dokumentieren. Es gibt zahllose dokumentierte Fälle, wo Grabräuber Mumien und andere Artefakte gefälscht haben, um damit hohe Gewinne zu erzielen.
Die angeblichen DNA-Untersuchungen
Die Mumien des Jahres 2015, und wir gehen davon aus, dass es sich um dieselben handelt wie jene aus der Präsentation gestern, wären schon damals untersucht worden. Ein nicht minder dubioser Forscher namens Konstantin Korotkov erklärte gegenüber Russia Today, die Mumien würden 23 Chromosomenpaare aufweisen (wie ein Mensch). Dass Korotkov mit der Universität St. Petersburg verbunden wäre, wie damals behauptet wurde, konnte bis heute nicht bestätigt werden und ist wohl eine freie Erfindung.
Von diesem früheren Befund wich man gestern im Kongress ab. 30 Prozent des gefundenen Erbguts wäre nicht menschlich, ist auf zahlreichen Seiten nachzulesen. In den ersten Sensationsmeldungen stand allerdings, dass nichts an den „Aliens“ menschlich sei. Diese drei unterschiedlichen Aussagen geben Grund zu Zweifeln. Und selbst wenn 70 % der „Alien-DNA“ menschlich wäre, wäre die Diagnose „Alien“ an sich auszuschließen. Die Aussage „entstammen nicht der Evolution dieses Planeten“ wäre in jedem Fall falsch. Live Science ging in dem langen Artikel aus dem März 2018 jedenfalls davon aus, dass die Nacza-Mumien Konstrukte aus gefundenen Leichenteilen wären – also Fälschungen. In Peru werden immer wieder Mumien gefunden, somit wäre es durchaus möglich, auch sehr alte Leichenteile für solche Fälschungen zu bekommen und zu verarbeiten.
Zudem wird behauptet, dass sich in den Körpern der „Aliens“ Implantate aus Osmium befinden. Osmium ist ein hochgiftiges Metall, das in reiner Form im Organismus höchst problematisch wäre. Tatsächlich setzt man es in Legierungen, die zu 90 % aus Platin und zu 10 % aus Osmium bestehen, bei Implantaten und Herzschrittmachern ein. Über Legierungen wurde während der Präsentation aber nichts verlautbart.
Mumie der 2017 Präsentation „100 Prozent menschlich“
Im Gegensatz zum erwähnten „Faktencheck“ von Snopes gibt es auch Seiten, die sich sehr genau mit den Funden aus 2015 und der Präsentation von 2017 auseinandergesetzt haben. So erklärt Tony Breeden in seinem Blog im Juni 2017, dass sich die damals vorgestellte Mumie nach einer Röntgenuntersuchung als 100-prozentig menschlich herausgestellt habe. Breeden hat in dem ausführlichen Text auch eine Reihe damit verbundener Fälschungen und Falschmeldungen aufgelistet. Zu den Mumien, bei denen es sich teilweise wohl um jene von der gestrigen Kongress-Präsentation handelt (fett hervorgehoben), schreibt er:
Die Mumien von Thierry Jamin, die am Inkari-Cusco-Institut untersucht werden, wurden an einem geheimen Ort in der Cusco-Wüste von zwei Freunden entdeckt, die sie dem Geschichtsaktivisten Brien Foerster von Hidden Inca Tours übergaben. Die Mumien sind mit dem gleichen „Trocknungspulver, das zur Konservierung der Exemplare verwendet wurde“ bedeckt wie die Gaia-Mumie. Das bedeutet im Grunde, dass die „Mumien“ aussehen, als wären sie mit Gips bedeckt. Ehrlich gesagt stinkt das Ganze nach einem Schwindel, von den anonymen Entdeckern bis zu den namenlosen Experten. Die riesigen Krallen sind ein Sammelsurium unmöglicher Architektur am Handgelenk. Der Schädel sieht aus wie ein mumifizierter Fötus. Die andere Mumie, die auf dem Schwarzmarkt gefunden wurde (in Maussans Facebook-Profil in den Armen gehalten), sieht am gefälschtsten von allen aus.
Doch damit nicht genug, Breeden konnte einen Fall beschreiben, in dem Maussan eine vermeintliche Alien-Mumie untergejubelt wurde. Ein Fälscher namens Urso Moreno Ruiz hatte ihm diese um 32.000 US-Dollar verkauft. Bestenfalls ist Maussan jemand, der um jeden Preis etwas glauben möchte und um jeden Preis seine Theorien bewiesen sehen möchte. So habe er auch eine „geflügelten Fee“, eine andere Fälschung, als echte Alien-Leiche deklariert. Insgesamt, so Breeden, habe Maussan in seiner „Forscherkarriere“ so oft fälschlich „Alien“ geschrien, dass man ihm nicht mehr trauen könne.
Inzwischen ist der Medien-Mainstream aufgewacht
Nach einiger Bedenkzeit sind auch in deutschsprachigen Medien Berichte zum Thema veröffentlicht worden. Auch die Bild-Zeitung hat die alten Berichte über Maussan gefunden und verweist darauf, dass seine früheren Entdeckungen chirurgisch manipulierte menschliche Überreste darstellen. Das Magazin GEO weist auf die dubiose Vorgeschichte des Forschers hin. Bleibt die große Frage: Weshalb werden diese Hintergründe im englischen Sprachraum nicht zentral hervorgehoben – und wie kann es sein, dass jemand mit solchem Leumund im mexikanischen Kongress eine Präsentation abhalten darf?
Wenig hilfreich ist auch, dass sich Harvard-Professor Avi Loeb zu der Präsentation dazuschaltete, der jüngst von sich reden machte, als er behauptete, am Meeresgrund Überreste eines Alien-Raumschiffes gefunden zu haben. Tatsächlich waren Metallkügelchen gefunden worden, deren Zusammensetzung auf einen außerirdischen Ursprung schließen lassen. Kritiker führen an, dass es sich ganz einfach um die Überreste eines Meteoriten handelt. Loeb ist auch der Wissenschaftler, welcher eine vermeintlich unerklärbare Flugbahn des Kometen Oumuamua als Antrieb einer Alien-Sonde interpretierte. Rechnerisch wurde nachgewiesen, dass auch das Ausgasen von Wasserstoff eine plausible Erklärung bietet, als der Gesteinsbrocken durch die Sonnenstrahlung erhitzt wurde.