Nicht nur LNG-Lieferungen und die Pipeline aus Norwegen sorgen für volle Gasspeicher in Polen – auch russisches Gas über Deutschland sorgt für Energiesicherheit. Die Deutschen dürfen neidisch sein, denn Nordstream 1 wird demnächst wegen den jährlichen Wartungsarbeiten gar kein Gas mehr liefern.
Bereits im April titelte „Focus Online“ einen Artikel mit „Das Pipeline-Paradox: Putins Gas fließt jetzt über Deutschland nach Polen“. Der Grund dafür: Polen wollte Gazprom nicht in Rubel bezahlen, so dass der russische Gasriese seine Lieferungen in das Land einstellte. Zwar warf man den Russen damals vor, vertragsbrüchig zu sein, doch Moskau blieb kaum ein anderer Ausweg. Denn sämtliche Einnahmen in Euro oder Dollar können infolge der westlichen Sanktionen nicht verwendet werden und wenn die Politiker in Washington, London und Brüssel einseitig die Spielregeln ändern, dann scheint dies für Moskau ebenso legitim zu sein.
Doch den Polen mangelt es nicht an Einfallsreichtum. Die Russen mögen dem Land zwar den Gashahn über die Jamal-Pipeline abgedreht haben, doch nach Deutschland floss immer noch welches, so dass sich die polnischen Energieunternehmen eben dort mit dem russischen Gas eindecken. Mit Stand Ende Juni waren die polnischen Gasspeicher laut der „Deutschen Welle“ dann auch zu fast 96 Prozent gefüllt. Ein Niveau, von dem die Deutschen und die Österreicher nur träumen können. Denn neben den Käufen über Deutschland erhält das mittelosteuropäische Land auch Pipelinelieferungen aus Norwegen und LNG vor allem aus den Vereinigten Staaten.
Doch mittlerweile haben die Deutschen laut Reuters unter Berufung auf den Pipelinebetreiber Gascade offensichtlich die Gasflüsse nach Polen gestoppt, was Warschau angesichts der ohnehin vollen Gasspeicher und der anhaltenden Lieferungen aus Norwegen und den Vereinigten Staaten jedoch wohl ohnehin nicht sonderlich stören dürfte.
Indessen haben die Deutschen das Problem, dass wartungsbedürftige Siemens-Gasturbinen von Nordstream 1 wegen der westlichen Sanktionen nicht zur Überholung nach Kanada geschickt werden dürfen. Weniger Turbinen heißt weniger Druck in den Pipelines und damit auch deutlich niedrigere Lieferungen. Und in den kommenden Wochen stehen noch zehntägige Wartungsarbeiten an – die sich je nach Laune Moskaus in die Länge ziehen könnten.
Offensichtlich war es keine sehr gute Idee, den wichtigsten Energielieferanten Europas mit unzähligen Sanktionen zu belegen, die sich schlussendlich (auch dank der Vergeltungsmaßnahmen Moskaus) unheimlich rächen. Oder anders ausgedrückt: Dank der Speichelleckerei der Transatlantiker in Europa müssen nun die Menschen und die Unternehmen leiden.