Die Zahlen, die nun aus angeblich gehackten ukrainischen Militärdokumenten durchs Netz geistern, klingen so ungeheuerlich, dass selbst eingefleischte Kriegspropagandisten ins Grübeln kommen müssten: 1,7 Millionen tote ukrainische Soldaten seit Beginn des Krieges. Eine Zahl, die nicht nur sämtliche bisherigen Angaben – ob aus Kiew, Moskau oder Washington – in den Schatten stellt, sondern auch militärgeschichtlich einer Fantasieerzählung gleichkäme. Doch wie so oft im Informationskrieg zwischen Ost und West, zwischen NATO und Russland, gilt: Je absurder, desto wirksamer.
Laut den russischen Hackergruppen, die angeblich in den Besitz von Terabytes sensibler ukrainischer Militärdaten gelangt sind, soll die Ukraine seit dem Jahr 2022 jährlich Hunderttausende Soldaten verloren haben. Allein im laufenden Jahr 2025 seien bereits über 600.000 Tote registriert, vollständig dokumentiert mit Namen, Fotos und persönlichen Angaben. Militärisch wäre eine solche Zahl jedoch schlichter Irrsinn. Keine Armee der Welt kann drei Viertel ihrer Truppen verlieren und dennoch operativ handlungsfähig bleiben. Selbst die verlustreichen Materialschlachten des Ersten Weltkriegs oder die sowjetischen Abwehrkämpfe gegen Hitlerdeutschland wirken im Vergleich dazu wie ein moderater Blutzoll.
🚨Confirmed Ukraine has lost over 1,700,000 dead and wounded🚨
— Chay Bowes (@BowesChay) August 20, 2025
Russian hacker group KillNet has confirmed that they successfully hacked the database of the Armed Forces of Ukraine
It contains information on an astounding 1.7 million dead and missing Ukrainian soldiers pic.twitter.com/eiKyj7olW9
Natürlich darf man nicht vergessen: Der Krieg in der Ukraine ist längst nicht mehr nur ein Gemetzel auf den Schlachtfeldern, sondern auch ein Krieg um Narrative. Kiew beziffert russische Verluste auf über eine Million Mann – eine Zahl, die selbst im Pentagon für hochgezogene Augenbrauen sorgt. Russland wiederum spricht von Hunderttausenden gefallenen Ukrainern, ohne jedoch selbst belastbare Daten vorzulegen. Dazwischen jonglieren westliche Geheimdienste mit deutlich niedrigeren Zahlen, die wiederum eher in die NATO-Propaganda passen, wonach die Ukraine noch lange kampffähig sei, solange man sie mit Milliarden und Waffen beliefert. Man ahnt, dass hier jede Zahl ein politisches Werkzeug ist, ein Schachzug im globalen Informationskrieg.
Dass nun plötzlich 1,7 Millionen Tote im Raum stehen, passt in dieses Muster der Übertreibung und Desinformation. Realistisch? Wohl kaum. Doch gerade in der heutigen Medienlandschaft ist Realismus längst nicht mehr das Maß aller Dinge. Es geht darum, die Wahrnehmung zu prägen: den Gegner zu demoralisieren, die eigenen Reihen zu mobilisieren, die Weltöffentlichkeit in eine gewünschte Richtung zu lenken. Ob dabei die Wahrheit auf der Strecke bleibt, interessiert niemanden mehr. Zahlen sind in diesem Krieg ebenso Waffen.
Die traurige Realität wird irgendwo zwischen den Extremen liegen. Um die 100.000 bis 150.000 Gefallene, bis zu einer halben Million Verwundete, wäre angesichts der bisherigen Entwicklungen wahrscheinlicher. Also in etwa rund ein Viertel des mobilisierten Potenzials. Sicher ist nur, dass die Verluste auf beiden Seiten massiv sind und weit über das hinausgehen, was die offiziellen Stellen einräumen. Sicher ist auch, dass die ukrainische Gesellschaft längst bis an ihre Belastungsgrenzen getrieben wurde: Männer werden auf der Straße zwangsrekrutiert, Frauen und Alte müssen Lücken füllen, die Söldnerheere westlicher Konzerne marschieren längst als inoffizielle NATO-Armee. Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass ein Land mit ursprünglich 250.000 Soldaten im aktiven Dienst und 900.000 Reservisten den Verlust von fast zwei Millionen Mann einfach so wegstecken könnte.
Im Krieg stirbt bekanntlich die Wahrheit zuerst. Untertreibungen bei den eigenen Verlusten und Übertreibungen bei jenen des Gegners gehören mit dazu. Doch wer mit völlig unrealistischen Zahlen hantiert, verspielt seine propagandistische Glaubwürdigkeit. In etwa so, wie damals die Nazis, die noch vom “Endsieg” sprachen, als die sowjetischen Truppen bereits vor den Toren Berlins standen. Auch damals dürfte wohl den meisten Menschen instinktiv klar gewesen sein, dass dies nur eine Propagandalüge war. Doch unbestreitbar ist auch, dass der Abnutzungskrieg Wirkung zeigt. Ab etwa 30 bis 50 Prozent an Gesamtverlusten verlieren Armeen typischerweise ihre Kampfkraft – und die Ukraine marschiert genau in diese Richtung. Der Ersatz von gut ausgebildeten Soldaten durch “Frischfleisch” trägt ebenfalls kaum zur Steigerung der Wehrfähigkeit bei und erhöht die Verlustzahlen.
Europe will spend $100 billion it does not have, to buy weapons from America that it does not have, to arm soldiers that Ukraine now lacks. This is to confront Russia, which for 30 years warned it would respond to NATO militarising its borders.
— Glenn Diesen (@Glenn_Diesen) August 19, 2025
– There was no threat to Ukraine… pic.twitter.com/suF4DXGbtA
Propaganda hin oder her – in Moskau spielt die Führung auf Zeit und weiß, dass man in Sachen Truppenstärke und Kriegsmaterial am längeren Hebel sitzt. Wenn nun die Europäer mit Geld, das sie nicht haben von den Amerikanern Waffen kaufen (welche diese wiederum nicht haben), um damit Truppen in der Ukraine auszurüsten, die diese nicht (mehr) haben, wird allerdings deutlich, dass eine baldige – wenngleich schmerzhafte – diplomatische Lösung für die Ukraine besser sein dürfte, als der Zusammenbruch der Streitkräfte und eine bedingungslose Kapitulation.
